Exkurs: Muffendorf in der Malerei Exkurs: Muffendorfer Pfirsiche

Pia Heckes

Spaziergang durch die Muffendorfer Geschichte

VON DER ALTSTEINZEIT INS 21. JAHRHUNDERT

Einleitung Vorgeschichte Antike Mittelalter Neuzeit Literatur

Muffendorf in der Neuzeit

Das 16. Jahrhundert

Exkurs: Die Glocken

Aus der frühen Neuzeit hat sich in Muffendorf eine datierte Bronze erhalten. Sie trägt die Inschrift: „Martinus heischen ich, inde ere marien gotz Moder luden ich, de gewalt des duvels verdriven ich. anno d(omi)ni m v  xiiii“ (Martinus heiße ich, zur Ehre Mariens, Gottes Mutter, läute ich, die Gewalt des Teufels vertreibe ich, Anno Domini 1514). Gegossen hat diese Glocke Meister Johan von Andernach in Köln, sie hat ein Gewicht von 900 kg (laut Bonner Glockenbuch) und befindet sich heute im Turm der neuen St. Martinskirche, wo sie zum wohlklingenden Geläut gehört.

Diese Martinusglocke ist eine der wenigen Glocken des Meisters Johan von Andernach im Erzbistum Köln, die die Zeiten überdauert hat. Und sie stammt aus einer sehr bedeutenden Glockengießerwerkstatt in Köln. Johan von Andernach war einer der produktivsten Meister der Spätgotik in Köln, der 57 Glocken gegossen hat, von denen allein 14 für Kirchen in Köln bestimmt waren. Glocken von seiner Hand finden sich in St. Aposteln, in St. Andreas und in St. Maria im Kapitol in Köln (Poettgen 2005, S. 126 ff.). Es war sicherlich für das frühe 16. Jahrhundert keine Selbstverständlichkeit, wenn ein kleines Dorf wie Muffendorf mit seiner romanischen St. Martinskirche über eine solche Glocke eines bedeutenden Meisters verfügen konnte. Mit dieser Glocke verband sich ein Anspruch, dessen Bedeutung wir heute nicht mehr kennen. Ein Glücksfall, dass sie die Jahrhunderte und Kriege überdauert hat und heute noch mit ihrem hellen Klang weit über das Rheintal zu hören ist. Es bleibt der zukünftigen Forschung vorbehalten herauszufinden, auf welchen Wegen diese wertvolle Glocke ihren Weg nach Muffendorf gefunden hat. Lassen sich die Stifter-Initialen (id und gw) auflösen, wäre man der Lösung dieser Frage ein gutes Stück näher. Was aus den im 14. Jahrhundert erwähnten älteren Glocken von Alt St. Martin geworden ist, ist unbekannt. Möglicherweise sind sie beim Guss der neuen Glocke von 1514 eingeschmolzen worden.

Eine weitere wertvolle Glocke des Gießers Johann Reutter von 1607 hat sich ebenfalls in Alt St. Martin befunden. Im Jahre 1607 schuf der Glockengiesser Johann Reutter, geboren in Mainz, in Köln als Artillerie- und Rüstmeister tätig, die Marienglocke. Diese Glocke wurde 1899 umgegossen.

Der Glockenspruch lautete:

MARIA HEISSEN ICH
GOTT ZU EHREN LOVDEN ICH
DER KIRCH ZU MOFFENDORF ICH DIN
JOHANN REVTER MICH GOS DJAHIN
A(NNO) 1607
(nach Giersiepen, Helga: Die Inschriften der Stadt Bonn, Wiesbaden 2000, S. 88)

Nach Maaßen (II, S. 300) gab es noch eine weitere Glocke von 1633, deren Inschrift lautete:
SANCT MICHAEL UND ANNO HEISH ICH
ZVM DIENST GOTTES DIE GEMEIND BERVF ICH
DIE SVENDER ZVR BYS ERMAHN ICH
ANNO 1633. BERTRAM VON BELLEINCKHAVSEN ABT ZV
SYBERCH POSTVLIRTER ABT UND VUERST ZU FVLDEN.

Mit diesen Glocken hat die Kirche über eine für die damalige Zeit schon recht beeindruckende Glockenmusik verfügt. Leider ist über diese Glocken weiter nichts bekannt, bis auf eine sehr hübsche Anekdote, die Dietz in seiner Sagensammlung (S. 105) erwähnt. Da ist die Rede davon, dass die „Burgfrau“ (auch hier wieder die Erwähnung der Burg zu Muffendorf) gekommen sei, und eine ganze Schürze voller Silbertaler in den Glockenguß geschüttet habe. Davon habe die Glocke einen so schönen Klang bekommen, dass die Mehlemer gerne die Muffendorfer Glocken für ihre Kirche erworben hätten, was die Muffendorfer aber mit Vehemenz zu verhindern wußten. Von Bedeutung ist der wirtschaftsgeschichtliche Gesamtzusammenhang: „Interessant ist nun, daß die wichtigen Innovationen, die eine Wiederaufnahme der Erförderung und -verhüttung rentabel erscheinen ließen, in dieser Zeit der wirtschaftlichen Rezession eingeführt wurden. Um 1450 funktionierten die ersten Wasserkünste erstmals zuverlässig (Wasser hebt Wasser), ab 1400 gab es Förderhaspeln mit durchgehender Kurbel aus Eisen, in der 1. Hälfte des 15. Jahrhundert wurde die Saigertechnik entwickelt, die eine thermische Trennung verschiedener Metalle (Blei, Silber, Kupfer) aus den polymetallischen, sulphidischen Erze ermöglichte. Spätestens ab dem Ende des 15. Jahrhundert war es möglich, Energie, die durch Wasserkraft gewonnen war, auf mechanischem Wege zu transportieren (sog. Heinzenkunst). Ein rasant schneller Technologie-Transfer in dieser Zeit durch Spezialisten, die nacheinander in mehreren Bergbaurevieren tätig waren und ‚weitergereicht wurden’, bewirkte ein Übriges. Einem erneuten Aufschwung der bergmännischen Erzgewinnung stand in Mitteleuropa ab 1450 nichts mehr im Wege“ (Ulrich Zimmermann, Freiburger Online Publikationen: Mittelalterlicher Bergbau auf Eisen, Blei und Silber, begrenzte Mittel und zahlreiche Veränderungen). Wenn also ab ca. 1450 vermehrt Erze zur Verhüttung und Weiterverarbeitung zur Verfügung standen, verläuft der Aufschwung des Glockengusses wegen des in größeren Mengen zur Verfügung stehenden Materials parallel mit der Begeisterung für die gotische Glockenmusik, die erst durch den Aufschwung des Bergbaus und dessen technische Innovationen möglich wurde.

Marienklage aus Alt-St. Martin (um 1500), heute in der neuen St.-Martinskirche
Abb. 17: Marienklage aus Alt-St. Martin (um 1500), heute in der neuen St.-Martinskirche

Die Zeit um 1500 brachte für die Muffendorfer Kirche zwei sehr bedeutende Schenkungen. Nicht nur die wertvolle Martinus-Glocke entstand, sondern auch die Marienklage, die sich heute in der neuen St. Martinskirche befindet und laut Alfred Wiedemann (S. 120) und Paul Clemen (S. 320)  aus Alt St. Martin stammt. Dieses Vesperbild zeigt die trauernde Maria mit dem toten Jesus und Johannes, bei den beiden Frauen wird es sich um Maria Magdalena mit dem Salbgefäß und um Anna, die Mutter Mariens, handeln. Um 1500 erlebte der Kult um die Hl. Anna im Rheinland einen Höhepunkt als im Jahre 1500 die Kopfreliquie, aus Mainz gestohlen, nach Aachen verbracht wurde, um dann durch eine päpstliche Bulle im Jahre 1506 nach einem heftigen Rechtsstreit der Erzbischöfe von Köln und Mainz der Stadt Düren zugesprochen zu werden. So zeigt auch dieses Vesperbild, dass die Ereignisse der Zeit sehr wohl wahrgenommen und künstlerisch umgesetzt wurden. Ein weiteres interessantes Detail der Vespergruppe ist die auffallende Wulstschapel mit Gebende (Kinntuch), mit der Maria Magdalena geschmückt ist. Diese Kopfbedeckung wurde häufig im Zusammenhang mit Hochzeitsbräuchen getragen und deutet auf die mythische Hochzeit zwischen Jesus und Maria Magdalena. Ein konzentriertes theologisches Programm, das die wichtigsten Personen aus Jesu Leben um den Leichnam versammelt. Stilistisch weist dieses Vesperbild in die Nähe des Von-Carben-Meisters, der für den Kölner Dom einige Plastiken geschaffen hat, die dort heute noch zu sehen sind (für diesen Hinweis danke ich Frau Prof. Dr. Ulrike Bergmann, Bonn).

Der oder die Stifter der Glocke sowie des Vesperbildes müssen also eine recht enge Verbindung nach Köln gehabt haben und die wesentlichen Künstler der Zeit, die dort tätig waren, gekannt haben oder an sie vermittelt worden sein. So erreichte die Kunst Kölns auch Muffendorf. Eine enge Verbindung von Muffendorf nach Köln war durchaus gegeben. Es bestand eine wirtschaftliche Verbindung der Deutschordenskommende von St. Katharinen in Köln mit der Muffendorfer Kommende, denn St. Katharinen besaß erheblichen Grundbesitz in und um Bonn, wahrscheinlich auch Weingärten in Muffendorf. Der Koblenzer Landkomtur, zu dessen Verwaltung Muffendorf ursprünglich gehörte, hatte bereits im 15. Jahrhundert seinen Sitz nach Köln verlegt, so dass alle Urkunden auf St. Katharinen ausgestellt sind. Die Kommende Muffendorf mit ihren vier Wirtschaftshöfen (Muffendorf, Lannesdorf, Heiderhof, Gimmersdorf) wurde gegen Ende des 15. Jahrhunderts nicht mehr von einem Komtur geleitet, sondern sie war durch einen Vertrag vom 17. Juli 1496 an Herrn Gottschalk Kempen vergeben, nach dessen Tod die Kommende wieder an den Orden zurückgefallen ist (s.o.). Vielleicht war es auch dieser Herr Kempen, dem am 5. Oktober 1513 von Ludwig von Sansheim vom Deutschen Orden in Köln, Vollmacht als Provisor für die Kölnischen Gerichte urkundlich übertragen wurde (Köln, Historisches Archiv der Stadt , St. Katharinen, Best. 234, Nr. U 1/827).

Im Jahr 1550 wird die Vogtsgasse erwähnt (später Enggasse, heute An der Kommende). Damit ist wahrscheinlich, dass im Mittelalter und in der frühen Neuzeit in Muffendorf ein mit bedeutender Macht ausgestatteter Vertreter eines Adeligen oder einer kirchlichen Institution ansässig gewesen ist. Möglicherweise hatte der Vogt Aufgaben rund um die Deutschordenskommende oder die Burg wahrzunehmen. Maaßen zitiert aus einer Abschrift des Weisthums für den Siegburger Hof, das wohl um die Mitte des 16. Jahrhundert verfasst worden war. Darin sind ein Schultheiß, der Abt des Klosters Siegburg, Viermänner, Geschworene und andere Dienstmänner erwähnt, die im Dorf für die Einhaltung der Ordnung zu sorgen haben. Weiter erwähnt er vier Straßen (freye weege) in Muffendorf, die in gutem Stande zu halten sind, so daß man sie bequem nutzen kann. Genannt sind der Weg vom Siegburger Hof nach Rüngsdorf durch die Enggasse (heute An der Kommende), genannt Vogtsgaß, der Weg durch die Hohle Gasse über die Höhe Richtung Lannesdorf und weiter nach Niederbachem zum dortigen Abtshof, der Weg zum Lyngsberg und den Steinbrüchen dort, der vierte Weg über Marienforst in den Kottenforst als freier Viehtriftweg für die Geschworenen (S. 288 – 291). Hier ist auch eine Verbindung des Kottenforstes zum Hof des Klosters Dietkirchen erwähnt, aus dem Kottenforst soll über Dottendorf hinunter das Brennholz für den Klosterhof transportiert werden. Im Gegenzug richten die Nonnen des Klosters dem Schultheißen und seinen fünf Geschworenen zu St. Johannistag ein Essen aus. Die Erwähnung des Klosters Dietkirchen und seiner Rechte am Holz des Kottenforstes ist insoweit interessant, da es sich beim Kloster Dietkirchen um eine ezzonische Gründung handelte, die offensichtlich mit Rechten am Kottenforst ausgestattet war und unter dem Regime des Siegburger Abtes und seines Schultheißen vom Holz des Waldes profitieren sollte.

Im Jahr 1581 erscheint wiederum eine Urkunde, in welcher der Weinbau eine Rolle spielt: der Schöffe von Muffendorf bezeugt den Verkauf einer Rente der Eheleute Mettlen aus Muffendorf von 1,5 Goldgulden aus den Erträgen verschiedener Weingärten an einen Kanoniker Gerhard Hulsing aus St. Severin zu Köln (Köln, Hist. Archiv der Stadt, Best. 264 Severin, U3/508, Verlust 3.3.2009).

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts erlebten die Godesburg und die dazugehörigen Dörfer eine unglückselige Zeit. Eine Zeit des Niedergangs durch kriegerische Auseinandersetzungen. Kurköln drohte durch die Hinwendung des Kurfürsten Gebhard Truchsess von Waldburg zur Reformation für die katholische Gegenreformationsbewegung verloren zu gehen. Das Haus Wittelsbach reagierte und entsandte Truppen. Im Truchsessischen Krieg (auch Kölner Krieg genannt) im Jahr 1583 schlugen die bayerischen Truppen ihr Quartier u.a. in Muffendorf, das zum Amt Godesberg gehörte, auf. Herzog Ferdinand von Bayern erkrankte allerdings in Muffendorf so schwer, dass er sich in die Residenz nach Brühl zurückziehen musste und dort weitere 5 Wochen krank danieder lag (Haentjes, 1960, S. 72, 73). Die Godesburg wurde am 17. Dezember 1583 teilweise gesprengt und erobert. Damit endete ihre wichtige Rolle in der rheinischen Geschichte. Muffendorf wird einige Zeit gebraucht haben, bis es sich von der Last der Einquartierung und Besatzung, die am 3. Januar 1584 endete, erholt hatte. Walter Haentjes zitiert ausführlich einen zeitgenössischen Bericht zu diesen Vorgängen, der ein lebhaftes Bild zeichnet.

In der historischen Überlieferung für Muffendorf klafft für diesen Zeitraum eine Lücke. Aber die Einschätzung eines Zeitzeugen, Hermann von Weinsberg, Ratsherr zu Köln, macht deutlich, was die Zeitgenossen von Erzbischof Gebhard zu Waldburg und der Plünderung der Klöster in Bonn und Umgebung hielten: „Ecce wie gehet es zu. Die alte ertzbischoffen haben disse cloister meistheils bestift und etlich hondert jare bei ehren, friden, und gut erhalten. Eitziger her laist die verderber drunden rauschen, omnium rerum vicissitudo, alles dings ist ein veranderung, wie man eitz erfirt gegen alles versehen. Die edel stifs jonfern zu Vilick und Ryndorf uber Bon werden gefloven sin“ (siehe Weinsberg Dokumentation Uni Bonn). (Siehe, wie es zugeht. Die alten Erzbischöfe haben diesen Klöstern reichlich zugestiftet und sie etliche hundert Jahre in Ehren und Frieden gut erhalten. Jetziger Herr (gemeint ist Erzbischof Gebhard zu Waldburg) lässt die Verderber dort unten wüten, alles ist im Wandel, wie man jetzt erfährt, trotz aller Vorsehung. Die adligen Stiftsfräulein zu Vilich und Rheindorf bei Bonn werden geflohen sein.)

Eine sehr anschauliche Beschreibung der Belagerung der Godesburg findet sich auch in der religionsgeschichtlichen Abhandlung von Arnold Meshov und Michael von Isselt: „Der Colnischen Kirche Unter Dem Abfal Der Zweien“, Köln 1764.

Das 17. Jahrhundert

Am Kottenforst, der eng mit der Geschichte Muffendorfs verknüpft war, wurde auch im 17. Jahrhundert Raubbau betrieben, übermäßige Holzentnahme und vermehrte Viehmast im Wald machten es notwendig, dass der Kurfürst, um seinen Jagdwald zu sichern, im Jahre 1659/60 allein 675 Eichen neu pflanzen ließ (Höroldt, GHbl. 11/S. 125 f). So wird der Kottenforst über die Jahrhunderte mehr hergegeben haben, als er zur Gesunderhaltung benötigte. Durch den Raubbau wird er allerdings auch zum Wohlstand der Dörfer in der Umgebung beigetragen haben. Um 1666, so Wiedemann (S. 123), habe Muffendorf einschließlich des Heiderhofes und der Wattendorfer Mühle 665 Einwohner bei 129 Feuerstätten gehabt. Die Kirchenbücher des 17. Jahrhunderts geben ein lebendiges Bild der Lebensumstände dieser Zeit. (Müller-Hengstenberg, Herbert: Aus den Kirchenbüchern des 17. Jahrhunderts – Zum Allltag unserer Vorfahren in den Pfarreien Friesdorf, Mehlem, Muffendorf und Rüngsdorf, in: Godesberger Heimatblätter 27, S. 31 ff.)

Siegburger Hof von Osten aus gesehen (um 1960) und im Blick aus der Kommende (2005)
Abb. 18 & 19: Siegburger Hof von Osten aus gesehen (um 1960) und im Blick aus der Kommende (2005)

Exkurs: Die nachmittelalterliche Geschichte des Rittersitzes zu Muffendorf – eine „Burg“ entschwindet aus der Geschichte

Bereits Wiedemann vermutet in jenem Ritter Theoderich von Muffendorf, der im 13. Jahrhundert erwähnt wird, den Inhaber einer Burg zu Muffendorf (s.o.).

Im 16./17. Jahrhundert ist für Muffendorf tatsächlich eine Burg nachgewiesen, von der sich allerdings keine sichtbaren baulichen Spuren erhalten haben. Sie lag auf dem Grundstück, das sich heute gegenüber der neuen St. Martinskirche zwischen der Klosterbergstraße und der Elfstraße befindet und gehörte der Familie von Stein, die nach Wiedemann bereits 1599 im Zusammenhang mit Muffendorf erwähnt wurde. Friedrich von Stein, genannt Tricht, spielte dann im 17. Jahrhundert eine wesentliche Rolle in den erhaltenen Hessenrechnungen und Rittersimplen­empfängen (1651, 1652/53, 1656, 1667, 1679), wie Wiedemann sie erwähnt (S. 111). Um 1560 ist ein „von Tricht“ als Amtmann der Godesburg erwähnt, damit hätten die Stein gen. Tricht eine wichtige Funktion innegehabt. Die Familie wird bei Wiedemann (1930) in unterschiedlichsten Zusammenhängen immer wieder erwähnt (vgl. Personenregister bei Wiedemann S. 587. Für das 16. Jh. a.a.O. S. 405).

Ausschnitt aus dem französischen Urkataster (1810); oberhalb des Begriffs 'Limites' sieht man die vier Grundstücke, die ehemals als 'Auf der Helenaburg' bezeichnet wurden
Abb. 20: Ausschnitt aus dem französischen Urkataster (1810); oberhalb des Begriffs 'Limites' sieht man die vier Grundstücke, die ehemals als 'Auf der Helenaburg' bezeichnet wurden

Weiter unter wird auf den Zeitraum noch genauer eingegangen.

Die Ruinen der Burg wurden spätestens kurz nach 1830 so gründlich niedergelegt und wahrscheinlich weiterverwertet, dass keine baulichen Reste sichtbar blieben und die Burg in Vergessenheit geriet. Wahrscheinlich war sie schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts so marode, dass sich damals niemand mehr vorstellen konnte, dass dies einst eine befestigte burgartige Anlage gewesen ist (Strack 1998). Allerdings deutet auch hier der Volksmund darauf hin, dass diese Burg wesentlich älteren Ursprungs gewesen sein dürfte. Denn lange Zeit, noch bis in das 20. Jahrhundert hinein, sprach man in Muffendorf von der „Burg der Kaiserin Helena“, der Mutter Konstantins des Großen. Oder von dem Grundstück „auf der Burg“. Der Bezug auf Helena ist wahrscheinlich dem Umstand geschuldet, dass man auf das sehr hohe Alter der Burg hinweisen wollte, und ist eher nicht wörtlich zu nehmen. Abgesehen davon hatte der Hinweis auf Helena im Rheinland gute Tradition. Denn auch der Bau des Münsters ging nach der Überlieferung auf Helena, die Mutter Konstantins, zurück (van Rey 2001, S. 31). Helena wurde sehr lange in Bonn verehrt, noch 1630 entstand eine Bronzeplastik, die heute das Bonner Münster schmückt. So geht die mündlich tradierte Geschichte der untergegangenen Burg ebenfalls zurück bis wiederum in die provinzrömische Antike. Auch hier gibt es wieder einen Bezug zum Hl. Anno, der über die Beziehungen zum Siegburger Hof für Muffendorf eine wichtige Rolle spielte: In der Vita Annonis findet sich ein Hinweis auf die Heilige Helena, allerdings ist sie hier als Gründerin von St. Gereon in Köln genannt (s. Diederich, Toni: Stift, Kloster, Pfarrei – Zur Bedeutung der kirchlichen Gemeinschaften im Heiligen Köln, in: Statdspuren, Bd. 1, S. 25). Womit die Anfänge dieser Kirche ins 4. Jahrhundert datiert werden.

Als auf dem Gelände zwischen der heutigen Klosterberg- und der Elfstraße im 19. Jahrhundert ein Wingert (Weingarten) angelegt wurde, fand man Mauerreste, rote Röhren und Scherben (Dietz, Josef: Sagen und Geschichten aus Godesberg-Muffendorf, in: Godesberger Heimatblätter 12, 1974, S. 120). Als Besitzer der Burg wird in der älteren Literatur die Familie von Stein genannt von Tricht erwähnt. Ein Claes von dem Steyne genannt von Tricht ist in einer Urkunde des Katharinenklosters vom 20. Dezember 1483 erwähnt. In dieser Urkunde bestätigt Claes von dem Steyne den Verkauf einer Wiese zu Villip, die zu seinen Gütern dort gehört hatte und von seinem Schwager verkauft worden war. Da ein Zusammenhang über das Katharinenkloster mit Muffendorf bestand, könnte es sich um die Familie der Burgbesitzer aus Muffendorf handeln. Es wäre gut möglich gewesen, dass diese auch zu Villip begütert gewesen waren (Köln, Historisches Archiv der Stadt, Best. 234, U1/755). Eine Stiftungsmesse dieser Familie wird als ewiges Gedächtnis noch heute in St. Martin in Muffendorf gefeiert.

Zur Muffendorfer Burg hat Herbert Strack in den Godesberger Heimatblättern 36 (1998) erste Erkenntnisse und Überlegungen veröffentlicht (S. 129ff.). Er beruft sich hierbei insbesondere auf Wiedemanns Geschichte Godesbergs (a.a.O.) und Urkunden aus den Pfarrarchiven Muffendorf und Villip. Ihm gebührt das Verdienst, den ersten Nebel um die Geschichte der Burg gelüftet zu haben. Seine Forschungen gaben der Autorin Anlass und Ansporn, tiefer in das Thema „Muffendorfer Burg“ einzusteigen.

Überlegungen zur mittelalterlichen Geschichte der Burg wurden bereits weiter oben dargelegt. Ganz wesentliche Erkenntnisse zur nachmittelalterlichen Zeit sind aus dem Privat-Archiv der Familie von Weichs zu Körtlinghausen zu gewinnen, die im französischen Kataster als Besitzer des infrage kommenden Grundstücks 1810/11 genannt werden (Archiv Senden, Rheinische Güter).

Strack beginnt seine Ausführungen mit dem Jahr 1599 als ein Friedrich von Stein als „Inhaber des Rittersitzes Muffendorf“ genannt wurde. Die Besitzverhältnisse, die Strack für das 17. und 18. Jahrhundert auf S. 129 erläutert, stimmen weitgehend mit den Archivalien der Familie von Weichs überein, und sind wesentliche Hinweise. Dies wird im folgenden dargelegt werden.

Die archivalisch überlieferten Nachrichten der Familie von Weichs, die die von Stein beerbt haben, beginnen mit dem Jahr 1616. Im Archiv Senden, dem 1680 die Akten der Familie von Haus zu Endenich zugefallen sind, findet sich der Hinweis, dass im Jahre 1616 Engelhard von Weichs (†1642/43) die Catharina von Haus, Tochter des Hans Bertram von Haus zu Endenich und der Susanne Waldmann geheiratet habe. Catharina von Haus muss demnach die Güter Endenich und Muffendorf mit in die Ehe gebracht haben. Von den zwei Söhnen aus dieser Ehe erwarb Gaudenz das Gut Körtlinghausen, während Ferdinand Maximilian in den Besitz von Endenich und Muffendorf gelangte (P 98/1-2). Diese Angaben sind jetzt in Einklang zu bringen mit der von Strack genannten Urkunde von 1629 im Pfarrarchiv Muffendorf, wo von einer Ida Sybilla von Steinen, die Witwe des Hans Bertram von Haus gewesen sein soll, die Rede ist. Möglicherweise war jene Ida Sybilla eine zweite oder dritte Frau des Hans Bertram. Da deren Sohn (?) aber Junker (von) Tricht gewesen sein soll, wäre es fraglich, wie der Erbgang der Muffendorfer Liegenschaft an die von Weichs zustande gekommen wäre. Denkbar wäre, dass der Junker von Tricht, möglicherweise ein Kind aus einer früheren Ehe der Ida Sybilla, früh verstorben ist, und seine mögliche Stiefschwester Catharina von Haus dann Alleinerbin gewesen wäre.

Nun findet sich im Archiv Senden eine weitere Urkunde, die Klarheit bringt: Es handelt sich um den Ehevertrag zwischen Othmar Philip Carl von Grotthausen zu Grone und der Anna Dorothea von und zu Weix (Weichs). Diese Anna Dorothea war Tochter des Engelhard von und zu Weichs und der Catharina Elisabeth von Haus. Diese Catharina Elisabeth von Haus hatte ihrer Tochter u.a. das Gut in Muffendorf hinterlassen: „Von der Nachlassenschaft der Mutter Catharina Elisabeth von Haus, die nach dem Tod ihrer Stiefmutter und Base Ida von Stein genannt Tricht und deren Bruder Wilhelm von Stein das Haus Oberstolz in Bonn, den halben Hof zu Berchemb, den Hof zu Pissen (ehemals Pissenheim, heute Werthoven) und das Haus zu Muffendorf, worüber noch mit den Jesuiten zu Bonn prozessiert wird, erbte...“ (Best. A, Urkunde 241 v. 17. September 1644). Somit wäre nach dieser Urkunde klar, dass der Junker von Tricht der Bruder der Ida Sybilla von Stein war und dass über diesen Erbgang das Gut Muffendorf in die Familie von Weichs gelangte.

In dieser Urkunde ist im Unterschied zu den „Höfen“ zu Berchemb und Pissen vom „Haus zu Muffendorf“ die Rede. Ein weiterer Hinweis darauf, dass es sich hier nicht um ein einfaches landwirtschaftliches Anwesen handelte, sondern um eine Liegenschaft, die eine Vergangenheit als Rittersitz, befestigtes Haus oder Burghaus im weitesten Sinne, hatte.

Ida von Stein muss vor 1604 verstorben sein. Denn ihr Sohn Wilhelm (?) führt einen Rechtsstreit vor dem Reichskammergericht, der sich auf nicht bezahlte Ehesteuern der Ida bezieht und auf eine vertraglich festgelegte Entschädigungssumme, von der dieser Wilhelm annimmt, dass sie ihm zustehe (Landesarchive NRW, Düsseldorf, Akten des Reichskammergerichts, Aktenzeichen: S 1268/5012).

Welchen Anspruch die Bonner Jesuiten auf das Haus erhoben haben könnten, ist noch nicht zu klären. Allerdings sind die Jesuiten in Bonn ab ca. 1600 mit wichtigen Aufgaben betraut gewesen und hatten einflussreiche Förderer und Donatoren (Maaßen, S. 293). In diesem Zusammenhang sei auch der Hinweis auf das Haus Oberstolz in Bonn erlaubt. Die kölner Familie der Oberstolzen gehörte zu den ersten und reichsten Familien des Rheinlandes. Der Reichtum der Oberstolzens wurde im Mittelalter geradezu sprichwörtlich. Es stellt sich die Frage, wie die Familie von Stein nach dem Aussterben der Oberstolzen in den Besitz des Bonner Hauses der Oberstolzen in Bonn gelangte. Es wird in jedem Falle deutlich, dass es über die von Stein in Muffendorf enge Verbindungen zu den bedeutendsten Familien des Rheinlandes gab. Also Verbindungen zum rheinischen Uradel. Die Oberstolzens (heute Overstolz) führten sich, wie 15 weitere patrizische Familien Kölns, auf den römischen Senatorenadel des antiken Köln unter Postumus zurück, der Köln zur Hauptstadt seines „gallischen Sonderreiches“ gemacht hatte (um 265) (Becher S. 30).

Da die Dörfer rund um die Godesburg durch den Truchsessischen Krieg bis 1583 schwer in Mitleidenschaft gezogen worden waren, wundert es nicht, dass über die Muffendorfer Verhältnisse vor dieser Zeit nur sehr wenige verstreute schriftliche Quellen existieren. Auch das 17. Jahrhundert war ein Jahrhundert der Kriege und Seuchen (Dezember 1587 Überfall des Martin Schenk von Nideggen, November 1632 Überfall der Schweden, die 1633 Mehlem einäschern, 1641 Kriegszug der Hessen und Franzosen, 1665/66 Pest in Bonn, 1689 Zerstörung durch die Franzosen, 1703 Beschießung durch die Engländer), allerdings ist die Quellensituation für das 17. Jahrhundert wieder etwas besser zu nennen. Bei Ausschachtungsarbeiten für den Neubau des Hauses Klosterbergstraße 25 (ehemals Pützgasse) unterhalb der Burg, (Pützgasse bezieht sich auf den Schellenpütz), fand sich auf Kellerniveau eine dicke schwarze Brandschicht mit verkohlten Holzstücken, die allerdings nicht datiert wurden. Ob es sich bei dem Brand um ein Unglück oder um kriegerische Einflüsse gehandelt hat, ist nicht mehr feststellbar. Der Befund passt aber zu den Verwüstungen in nachmittlalterlicher Zeit.

Im Staatsarchiv Münster (Landesarchiv NRW) findet sich unter der Bezeichnung „Stift Keppel – Urkunden“, Nr. 285  1666 [Mai 19 / Mai 29] eine weitere wichtige Urkunde die Burg Muffendorf betreffend. Der „Ehevertrag zwischen Ferdinand Maximilian Freiherr von und zu Weichs, Erbherr zu Endenich und Muffendorf, kurköln. Kämmerer und Rat, Sohn des verstorbenen Freiherrn Engelhar(d) von und zu W., kurkölnischer Forst- und Jägermeister in Westfalen, und der Catharina Elisabeth verw. Freifrau von Spich, Generalfeldzeugmeistermeisterin, geb. von Wischel zu Langenau, Tochter des Johann Vellen von. W. und der Caspar Margarethe vom Bruch. Der Bräutigam bringt u. a. in die Ehe als Morgengabe 300 T. Rente aus Haus Buren nach dem bei der Regierung in Paderborn geschlossenem Vergleich vom 4. Juni 1664 sowie eine Obligation Jost von Schorlemers über 300 T. auf den Hof zu Beerenbruch im Gogericht Erwitte, als Heiratsgut seine Güter Endenich und Muffendorf, den Hof Berckum, den Drichterhof (Trichter-Hof) im Dorf Pissern (Pissenheim, heute Werthoven) gelegen im Oberstift Köln, Propstei Bonn bzw. Amt Godesberg bzw. Land Drachenfels. Die Braut bringt als Heiratsgut das Haus Langenau unter Restituierung all des väterlichen Erbes ihrer Tochter Johanna Sibella Frau von Rodleben geb. von der Hees, als Sicherung dient das Gut Langenau.“ (Siegel-Kommentar: je vier Siegel in Holzkapseln an Seidenbändern, Petschaft in grünes Wachs gedrückt; Unterschriften: Ferdinand Maximilian Freiherr von und zu Weichs, Gaudens Freiherrn von und zu Weix, Adam Friderich Rump, Drost; Elleischebett Cadtrina Weichs geborne von Wuschell, Akottleben als Dochderman, Wilhelm Henrich von und zum Bruch, Johann Philips von und zu der Heeß, Johann Eberrhardt von Honnepen gen. Wossenberg; geschrieben und unterschrieben von dem Notar Joh. Phil. Eiershausen).

Der verstorbene zweite Ehemann der Catharina von Spich war Lukas von Spich, er war Oberst und Gouverneur der Festung Ehrenbreitstein, der Ehevertrag zwischen beiden wurde am 17. Oktober 1646 geschlossen. Ihr erster Ehemann, der ebenfalls früh verstorben war, war Johann Phillip von der Heeß, Assessor des Kaiserlichen Kammergerichts zu Speyer (Stift Keppel, Urkunden, Nr. 271).

Einer der unterzeichnenden Zeugen war der kurfürstliche Obristjägermeister Gaudenz von und zu Weichs. Wilhelm Heinrich von und zum Bruch (*1651†1683) stand in enger Verbindung zum Kurfürsten, da das Haus Bruch in Oberhundem eine wesentliche Rolle im jagdlichen Geschehen des kurfürstlichen Hofes spielte. Ausserdem war er der Sohn der Anna Margarethe von Wischel, also möglicherweise ein Neffe der Catharina von Spich, geb. von Wischel.

Von Engelhard zu Weichs’ Hochzeit 1616, - bzw. bis zum Erbfall, der bis ca. 1644 eingetreten sein muss -, bis zu der Belehnung des Gaudenz von Weichs im Jahre 1697 ist somit in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert der Rittersitz Muffendorf nachweislich im Besitz der Familie von Weichs.

Im Bruderbuch der St. Sebastianusschützen zu Mehlem findet sich für das Jahr 1683 der Johannes Heuser, Koch zu Muffendorf, als Schützenkönig. Eine Inschrift auf dem Königsschild der Königskette findet sich folgende Gravur:

JOHANNES . HEVSER / KOCH . ZU . MVFFENDORF / 1684

Der Koch zu Muffendorf gehörte zu den Schützen in Mehlem, auch dies weist auf die engen Beziehungen zwischen Mehlem und Muffendorf hin, die durch den gemeinsamen Pfarrherrn gegeben waren. So scheint das 17. Jahrhundert bis zum Pfälzischen Krieg (Zerstörung Bonns 1689) auch wieder eine eher wohlständige Zeit gewesen zu sein. Die Anwesenheit eines Kochs zu Muffendorf weist auf zumindest einen Haushalt hin, der einen Koch finanzieren konnte, und dieser Koch war immerhin so gut situiert, dass er sich das Schießen um die Königswürde leisten konnte. LWL-Archivamt für Westfalen, Adelsarchiv Senden, Rheinische Güter, 1697, Urkunde 22: Belehnung des Gaudenz von Weichs mit den Gütern zu Waldorf und Muffendorf am 18. November 1697, dies ist die letzte Urkunde für das 17. Jahrhundert, welche das Muffendorfer Gut betrifft.

Das folgende 18. Jahrhundert bringt eine ganze Reihe wichtiger Dokumente hervor, die ein lebendiges Bild vom Leben auf dem Rittersitz bieten. Die nächste Nachricht zur „Burg Muffendorf“ datiert auf eine Zeugenvernehmung im Jahr 1707. Offenbar war es zu einer Anklage gekommen, dass der Halbwinner (Pächter) der sog. Burg Muffendorf die Jagd auf Niederwild betreiben würde, ohne das entsprechende Jagdrecht zu besitzen. Es findet eine umfangreiche Befragung vieler Zeugen aus Muffendorf statt, darunter auch ein sehr betagter Mann, Göddert Kemp, der im 9. Lebensjahrzehnt steht. Diese Befragung ergibt eindeutig, dass die Halbwinner schon von alters her die Jagd als Vergnügen und zur Ernährungsverbesserung betrieben hatten und dies niemals in alter Zeit von irgendwem bestritten worden war. Die Jagd der Pächter war allgemein bekannt im Dorf und akzeptiert, so dass ein Einspruch gegen dieses Recht keinen Erfolg hatte. Die Halbwinner baten um Unterstützung durch ihren Pachtherren und ließen sich juristisch beraten von Carl Joseph Bergrath („Jurium practici“). Offenbar war mit diesem Lehen der Muffendorfer Burg auch das Recht auf die Niederwildjagd verbunden. In relativer Nähe zum kurfürstlichen Jagdgebiet Kottenforst, unmittelbar an dessen südlichem Rand gelegen, verwundert das ein wenig.

Als ehemalige Halbwinner werden in historischer Reihenfolge genannt: Wilhelm Plötzgen, Urban Mertens (Vater), Reiner Mertens (Sohn). Reiner Mertens war wohl der des Jagdfrevels Beschuldigte. Gleichwohl sagte einer der Zeugen aus, dass besonders der erste Halbwinner, jener Plötzgen, ein besonders großer Freund der Jagd gewesen sei. Er habe diesen „in den steinbrüchen des Lündtsberges einen haaßen schießen sehen“ (...in den Steinbrüchen des Lyngsberges einen Hasen schießen sehen..., LWL-Archivamt für Westfalen, Adelsarchiv Senden, Rheinische Güter, 1707). Auch dieses Dokument wirft ein interessantes Licht auf damalige Regelungen zur Pacht. Offenbar gingen in Muffendorf die Dienstbarkeit für die Adelsjagden im Kottenforst durchaus einher mit dem Recht der Niederwildjagd. Neben dem Dienst im Kottenforst, dem bevorzugten kurfürstlichen Jagdgebiet, stand gleichzeitig dieses Jagdrecht dem Pächter zu. Dies galt wohl bis 1848 als das erste kodifizierte Jagdrecht entstand. Die drei genannten Halbwinner waren alle den Zeugen noch persönlich bekannt gewesen.

Im Adelsarchiv Senden, Rheinische Güter, Best. 466, findet sich eine weitere wichtige Urkunde, die Aufschluss gibt über die Besitzverhältnisse an Burg und Ökonomie zu Beginn des 18. Jahrhunderts: „Besitzergreifung des Gutes Muffendorf durch Franz Otto von Weichs aufgrund des Testaments seines Oheims Ferdinand Dietrich von Weichs 1716. Ferdinand Dietrich von Weichs, Herr zum Hirschberg und Muffendorf“ hatte am 1. Juni 1716 sein Testament verfasst und war am 3. August 1716 verstorben. Seiner Mutter Anna Elisabeth Ursula geb. von Schorlemmer vererbte er u.a. den Nießbrauch aus dem Muffendorfer Gut. Als Universalerben bestimmte er seinen Neffen (im Testament fälschlich als „Vetter“ bezeichnet) Franz Otto von Weichs (Archiv Hinnenburg, N Urk 126).

Im gleichen Jahr, am 24. September 1716, verfasste Franz Otto von Weichs das o.g. notarielle Schreiben, das ihn als den rechtmässigen Erben benannte, und die Witwe, seine „Großstiefmutter“ (Anna Elisabeth Ursula v. W.), als Nießbrauchsberechtigte für die Dauer ihres Lebens (usum fructum) bestätigte. Sie sollte die Einkünfte vom Gut Muffendorf erhalten. Aus diesem Testament des Ferdinand Dietrich von Weichs ergaben sich in der Folge Streitigkeiten um das Erbe. Die Witwe versucht mit Hinweis darauf, dass Franz Otto ihr den Tod gewünscht habe, diesem das Erbe zu entziehen und es in die Schorlemmersche Familie zu bringen. Dies ist ihr nicht gelungen (Archiv Hinnenburg N, Urkunde 129). Allerdings bringen dieser Rechtsstreit und die Familiengeschichte ein wenig Licht in die Dunkelheit der Geschichte der Muffendorfer Burg im 17. und 18. Jahrhundert Immerhin war die Burg offenbar bedeutend genug, dass Freiherr von Weichs „Muffendorf“ als Namenszusatz führte. Und die Ländereien sowie die Gebäude müssen noch attraktiv gewesen sein. Der Hinweis, dass Franz Otto ihr den Tod gewünscht habe, war noch bis weit in das 20. Jahrhundert hinein ein probates Mittel, um einen missliebigen Verwandten, der eigentlich erbberechtigt wäre, rechtsgültig vom Erbe auszuschliessen. Anna Elisabeth Ursula von Weichs geb. von Schorlemmer hat dies versucht, jedoch ohne Erfolg. Die Burg blieb im Besitz der Familie von Weichs.

Dafür spricht auch ein Pachtvertrag aus dem Jahre 1738 zwischen Franz Otto von Weichs und Henrich Mertzenich vom 2. Juni 1738. Aus diesem Vertragswerk geht hervor, dass bereits 1721 ein Vertrag mit dem Schwiegervater des Mertzenich geschlossen worden war, dessen Name Dietrich Gummersbach war. Zunächst nennt von Weichs den „adelich rittersitz und guth Muffendorf .... und dazu gehörig weingärten und anders gründen auch jagd und fischerey nebst dem druckenen und nassen zehenten zu Lengsdorff....“. Besonders wichtig ist dem von Weichs die Fomulierung der zum Rittersitz gehörigen Rechte: „drittens verspricht conductor ahn aydts stadt, dass er alle zu dem burgsitz Muffendorf gehörige fischerey, jagd und andere berechtsamkeiten und burgfreyheiten in statu conserviren und keiner einzigen von anders zu muhtenden eintrag gestatten noch dulden, und wo etwa die zu muhtenden einträge abzukehren im stande und kräften nicht seyn mogde, solches so gleich ahn mich elocadorem berichten solle und wolle, dagegen ich demselben alle assistence und eviction zu leisten mich verpflichte.“ Die Einforderung der Burgfreiheiten und Rechte, insbesondere der Jagdrechte, lässt darauf schließen, dass innerhalb des kurfürstlichen Jagdgebietes eben ein besonderes Recht mit dieser Burg verbunden war. Bereits seit dem Mittelalter wurden besondere Rechte z.B. bei der Vergabe aus Königsgütern eingeräumt (Wieruszowski 1926, S. 123). Weiterhin ist die Rede von „diesem conducirten guth und burg zu Muffendorf“: der Pächter hat alle Lasten, Steuern, Kontributionen zu übernehmen, jährlich 100 Reichstaler Pacht zu zahlen, hellroten Wein (2 Ohm „Bleichardt“) kostenfrei zu liefern und alle Beschwernisse unverzüglich mitzuteilen. Von Weichs erklärt sich bereit, für größere Liefermengen Weins den ortsüblichen Preis zu zahlen. Ausserdem sollen die Weine nicht verfälscht werden, sondern getreu und aufrichtig geliefert werden. Der Vertrag wurde geschlossen am 2. Juni 1738 auf zwölf Jahre. Die Pacht war jeweils zu Martini zu zahlen. In diesem Vertrag spiegelt sich der vorhergegangene Streit um die Jagdgerechtigkeit auf Gut und Burg Muffendorf wider. Nach den Mertens war wohl Dietrich Gummersbach der nächste Pächter, so dass wir die Reihe der Pächter etwa von der Mitte des 17. Jahrhundert an vollständig hätten: Plötzgen, Mertens (Vater), Mertens (Sohn), Gummersbach, Mertzenich. Da im Vertrag eindeutig von „Gut“ und „Burg“ die Rede ist, scheinen die Gebäude um 1738 noch weitgehend erhalten gewesen zu sein.

Etwa 20 Jahre später sind die Baulichkeiten aber schwer in Mitleidenschaft gezogen: Ebenfalls im Adelsarchiv Senden, Rheinische Güter, Best. 470, hat sich ein Schreiben des Zimmermeisters Sebastian Kleffgen aus Lengsdorf erhalten. Daraus geht hervor, dass im Jahr 1757 der Halbwinner Heinrich Mertzenich den Zimmermeister Kleffgen am 6. Mai nach Muffendorf gerufen hatte, damit dieser einen Kostenvoranschlag für Reparaturarbeiten am „Kulturhauß allda bey der Burg“ erstellen könne. Mit „Kulturhauß“ war das Ökonomiegebäude, also der Bauernhof, der zur Burg gehörte, gemeint. Aus dem Schreiben geht ferner hervor, dass die Familie Mertzenich (möglicherweise über Erbgänge von den Plötzgens her) bereits seit mehr als 100 Jahren Pächter auf dem Gut war (also seit etwa 1650) und seit dieser Zeit keine wesentlichen Reparaturen am Gebäude durchgeführt wurden, so dass etliche Arbeiten notwendig geworden waren, um das Gebäude wieder in Stand zu setzen. Es wäre immerhin auch möglich, dass dabei das schwere Erdbeben vom 2. Februar 1756 eine Rolle gespielt hatte.

Besonders interessant an diesem Schreiben ist aber, dass die Burg damals, also um die Mitte des 18. Jahrhunderts, noch vorhanden und als solche erkennbar gewesen sein muss, wenn der Zimmermeister von dem „Kulturhauß allda bey der Burg“ spricht.

Im wesentlichen wurde im 18. Jahrhundert auf dem ehemaligen Rittersitz Wein angebaut. Für die Jahre 1743 und 1744 liegen Bescheinigungen über den Weinpreis für den Muffendorfer Rotwein vor: das Ohm wurde gehandelt zum Preis von 13 Reichstalern oder 16 Rheinischen Gulden. Diese Bescheinigung wurde am 9. Januar 1745 von J. J. Steegh, „Schultheiß beyder ämbter godesberg und mehlem“ unterschrieben und gesiegelt.

Im Jahr 1762, genau am 7. September, lässt sich der Pächter des Hofes den Weinpreis notariell bescheinigen. Das Fass zu einem Ohm (ca. 137 Liter) wurde mit 13 Reichstalern gehandelt (Archiv Senden, Rhein. Güter). In diesem Jahr war Renirus Voeltzgen Bürgermeister zu Muffendorf (Wiedemann, S. 79).

1764 waren die Witwe Sybilla Merzenich und ihre Tochter Pächter des Anwesens. Die Schriftstücke geben Aufschluss darüber, dass die Frauen wohl mit der Wirtschaft auf sich allein gestellt und überfordert waren und daher durch die Pächter Waasem abgelöst wurden. Ausserdem muss 1764 ein extrem schlechtes Weinjahr gewesen sein. Die Halbwinnerin berichtet in einem Schreiben, dass nur etwa 4 Ohm Ertrag zusammen gekommen sind, was weniger als die Hälfte der sonst üblichen Weinmenge ausmachte. Auch die notariellen Bescheinigungen über die Mengen und Preise des in Muffendorf gelesenen Weines geben Aufschluss darüber, dass die Pachtherren nicht nach Muffendorf gekommen sind, um die Wirtschaft ihres Gutes in Augenschein zu nehmen. Von Zeugen und vom Ortsvorsteher unterschriebene Bescheinigungen scheinen als Belege ausreichend gewesen zu sein.

1773 erhält Anton Waasem ein Testat, dass dieses Jahr nur 2,5 Ohm Wein gekeltert werden konnten, dass aber seine Wingerte gut im Stand seien und mit der nötigen Sorgfalt bewirtschaftet würden. Auch habe er das Haus ausgebessert und das Kulturhaus neu mit Stroh eindecken lassen. Zugleich wird bestätigt, dass ein Ohm Wein im diesem Jahr mit 21 Reichstalern mit Fass gehandelt würde. Diese Bestätigung erhält einen Hinweis auf „glaret“-Wein. Wahrscheinlich eine Verballhornung von „Clairet“, eine helle Rotweinsorte aus Frankreich. Auch hier findet man wieder eine Unterscheidung zwischen „Haus“ und „Kulturhaus“.

Auch ein Pachtvertrag mit den Eheleuten Anton Waasem vom 19. Januar 1781 spricht noch von der „freiherrlichen Weichsischen Burg binnen Muffendorf“, ebenfalls in ihrer Bürgschaft für den Sohn Anton Waaßem schreiben dessen Eltern, Anton Waaßem und Gudula Wallraff, von der „freiherrlichen Burg binnen Muffendorf“ (Archiv Senden, Rhein. Güter, 21.1.1781). Aus dieser Bürgschaft geht ebenfalls hervor, dass Anton Waaßem jun. auch die in Rüngsdorf liegenden Güter gepachtet hatte. Die Eltern verpfänden ihr gesamtes Mobiliar wie auch alle immobilen Güter, um die Pachtsumme für ihren Sohn sicher zu stellen. Diese Art der Bürgschaft ist der Hintergrund für eines der Gemälde von Peter Schwingen: Die Pfändung (siehe: www.muffendorf.net), auch wenn es sich dabei offensichtlich um die Pfändung eines Handwerkers handelt. Schlechte Erntejahre brachten es mit sich, dass die Bürgschaften fällig wurden und es dann zum Totalverlust der wirtschaftlichen Güter kam. Dies war gegen Ende des 18. Jahrhunderts und zu Beginn des 19. Jahrhunderts häufiger der Fall gewesen. Der Winter 1783/84 ging als der kälteste Winter in Europa in die Geschichte ein. Wegen der schwierigen Wetterverhältnisse in den Jahren 1799 und 1800, die Missernten im Rheinland mit sich brachten, und wegen der Napoleonischen Kriege und der daraus resultierenden hohen Napoleonischen Kontributionen und Steuern wurde die Situation für viele Bauern extrem schwierig.

1789, das Jahr der Französischen Revolution, bringt auch für das Rheinland entscheidende Umwälzungen mit sich. Das gilt vor allen Dingen für die öffentliche Verwaltung wie insbesondere die Finanz- und Steuerverwaltung. Eine Systematisierung mit buchhalterischem Belegsystem entsteht. Die von Weichs haben eine große Anzahl dieser Belege über die lange Zeit gerettet. Heute bieten diese einen lebhaften Einblick in die ökonomischen Verhältnisse.

Aber nicht nur über die ökonomischen Verhältnisse geben die Abrechnungen, Listen usw. Aufschluss. In der Aufstellung der Kontributionen und Sondersteuern, die der Halbwinner Anton Waasem in den Jahren 1794 bis 1801 zu zahlen hatte, findet sich der Hinweis, dass 1794 wegen „Brandschatzung und Einquartierung und Contributionen“ 739 Reichsthaler und 51 Stüber zu zahlen waren. Davon betraf die Brandschatzung allein 125 Reichsthaler und 26 Stüber. Das ist bisher der einzige Beweis dafür, dass Muffendorf von den napoleonischen Truppen heimgesucht wurde. Offenbar haben die Franzosen die „Burg Muffendorf“ als „adelich Haus“, wie es in den Quellen häufiger genannt wurde, erkannt und versucht, es in Schutt und Asche zu legen. Der Höhe der Rechnung nach scheint ihnen dies nicht gelungen zu sein, auch wenn der Pächter bzw. seine Witwe später nie wieder wirtschaftlich erfolgreich wurden, wie noch zu sehen sein wird. Allerdings scheinen die Gewaltausbrüche nur ein kurzes Zwischenspiel gewesen zu sein. Der französische General François Séverin Marceau, der Anfang Oktober 1794 Bonn besetzt hatte, wandte sich rasch weiter nach Koblenz, wo er bereits am 23. Oktober 1794 eintraf. Viel folgenschwerer für die Pächter waren die Steuern und Kontributionen, die aufzubringen waren.

Ein Brief des Pastors Völsgen aus Muffendorf vom 7. Februar 1806 gibt ein beredtes Bild von den Zuständen in der Napoleonischen Zeit. So berichtet er, dass „der Pächter und Halbwinner Anton Waasem von diesem Krieg, der einer der verderblichsten war, zugrunde gerichtet wurde.“ Dies wird im folgenden noch eingehend beleuchtet werden durch das Schicksal der Witwe Waasem.

Zuerst aber zu den Steuern und Kontributionen. Am 15. August 1794 erläßt der General-Einnehmer Geyr zu Bonn folgendes: „Für gegenwärtige außerordentliche Erfordernissen ist beliebet worden, auf jeden in dem rheinischen Erzstift gelegenen, describirten, und nicht describirten, sowohl freien als unfreien, bekannten und noch zu erkündigenden Morgen Artland, Wiesen, Weingarten und Garten, welche in den Städten nicht innerhalb Graben und der Mauren, und auf dem platten Lande, nicht bei den Häusern binnen den Hecken und Graben, oder Haus- und Hofbezirken gelegen sind, ohne Rücksicht auf die Eigenschaft des Grundes und des Besitzers 15 Stüber in coursmäßigem Gelde auszuschreiben, welche von einem jeden ohne Unterschied des Standes, gemäß der darüber erfolgender gnädigster Fürschrift binnen 14 Tagen Zeit ohnfehlbar zu entrichten sind. Bonn den 15ten August 1794.
Ex Commissione DD. Statuum.
Geyr General-Einnehmer.“

Soweit die allgemeinen Vorschriften. Im Jahr 1795 werden z.B. 12 Gulden und 20 Albus Simpeln (Grundsteuern) am 21. Dezember gezahlt. Ein Steuerzettel aus dem Jahr 1796 (Best. 471) bringt wiederum einen wichtigen historischen Bezug zutage: „Von Stein, jetzt Weichs zu Körtlinghausen zu Muffendorf zahlt Simpeln zur General Einnehmerei drei Reichsthaler fünfzig, einen Stüber“. (8. April 1797, quittiert am 9. August 1796), Anton Waassem ist „Burghalfe zu Muffendorf“. 1798 werden gezahlt 9 Livres, 9 Stüber. 1799 sind 20 Livres, 1 Stüber, 4 Heller.

Im Jahr 1800 beträgt die Grundsteuer 30 Francs und 85 Centimes.

Zu den Lasten durch die französischen Truppen und Steuern kamen aber auch noch schlimme Wetterbedingungen hinzu. Aus einem Schreiben der Elisabeth Merzenich, gen. Waasems, vom 9. Oktober 1801 geht hervor, dass die Jahrhundertwende dramatisch schlechte Jahre für die Landwirtschaft waren. 1799 ist überhaupt kein Wein gewachsen, da der Winter extreme Kälteeinbrüche mit sich brachte, so dass die Weinstöcke erfroren waren. Die neuen Triebe des Jahres 1800 waren einem schweren Hagelunwetter am 21. Mai ausgesetzt gewesen, so dass auch hier wieder schwerer Schaden entstand und praktisch kein Wein geerntet werden konnte. Da der Weinverkauf die Pacht zu erwirtschaften hatte, musste die Halbwinnerin um Stundung der Pacht bitten (Best. 474).

1801 bescheinigt der Ortsvorsteher Urban Jülich, dass 1 Ohm Muffendorfer Wein für 30 Reichsthaler verkauft wurde. Ein undatierter Brief von Elisabeth Merzenich berichtet, dass der Wein am 20. Oktober gelesen wurde, zwar von geringer Menge aber guter Qualität sei und der Preis noch nicht festgelegt worden sei.

Die französische Verwaltung arbeitete systematisch, Karten wurden erstellt, Werte und Ländereien erfasst. Dem Ortsvorsteher Urban Jülich fällt die Pflicht zu, die Güter systematisch zu erfassen und den Wert zu ermitteln. Für das Gut der Muffendorf Burg stellt er folgende Liste auf:

„Taxation der Weichsischen Güter
1. an weingärten 2 morgen per morgen zu 260 thaler:520 th.
2. ackerland 10 morgen per 145 th.1.450 th.
3. Wiesen 8 morgen per 75 th600 th
4. baumgärten 4 morgen per 135 th540 th.
(Contribution für 1 Jahr: 82 Francs)
Wert des Hauses:450 th.
{gesamt}3.560 th.
Urban Jülich, 1. mai 1803“.

Es handelte sich um ein Gut in innerdörflicher Lage mit 24 Morgen. Das war für das Rheinland eine Größenordnung, die bei guter Wirtschaftsführung einen reichlichen Gewinn bringen konnte. Ausserdem war der Burghof dadurch begünstigt, dass die Ländereien rund um die Gebäude lagen, und der „Schellenpütz“ mit dem jederzeit verfügbaren frischen Wasser sich auf dem Gelände des Pachtgutes befand. Diese Quelle versiegte nicht einmal in den frostigsten Wintern, so erinnern sich alte Muffendorfer. Dementsprechend war gutes Wasser zu jeder Zeit verfügbar. Aus Unterlagen späterer Jahre (Ende 19. / Anfang 20. Jahrhundert) geht hervor, dass der Zugang zu den verschiedenen Brunnen im Ort durch den Gemeindevorstand geregelt wurde. In den Katastern des 19. Jahrhunderts gehört der Zugang zum Brunnen von der Klosterbergstraße aus zum öffentlichen Wegenetz.

In den Veröffentlichungen von Kleinpass zu den Straßennamen in Muffendorf findet man umfangreiches Material zu der „Muffendorfer Wasserfrage“ (s. Kleinpass 1991, S. 147 ff.). Jedenfalls war der Schellenpütz noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts für die Muffendorfer, die in der Nähe der Kommende wohnten, die Wasserstelle, wenn die Leitungen an den Höfen oder die anderen Wasserstellen im Dorf zugefroren waren. Noch heute besteht der Schellenpütz und liefert Wasser. Allerdings ist die Brunnenstube nicht mehr öffentlich zugänglich und auch ebenerdig nicht mehr zu erreichen, sie liegt ca. 1,5 m unterhalb des heutigen Geländeniveaus. Laut Aussage des jetzigen Besitzers war der Brunnen ursprünglich ca. 3 – 4 m tief, die Wände waren aus Basaltbruchstein gefügt. Ein korbbogenartiger Schlussstein, der heute noch vorhanden ist, trug eine Jahreszahl, die wahrscheinlich mit „17“ begann. Leider ist die Zahl nicht mehr lesbar.

Mit dem Schellenpütz ist ein Zeuge der älteren Muffendorfer Geschichte erhalten geblieben, im Kaufvertrag zwischen dem Kloster Marienforst und der Muffendorfer Kommende aus dem Jahre 1458 ist der Schellenpütz bereits erwähnt (Arnold 2000, S. 138). Nach dem Zweiten Weltkrieg scheint der Brunnen aus dem öffentlichen Gedächtnis verschwunden zu sein. Die ehemals öffentliche Zuwegung wurde durch ein Gebäude der Elektrizitätswirtschaft verbaut, und da niemand das öffentliche Gewohnheitsrecht am Nießbrauch des Brunnens einklagte, geriet er in Vergessenheit. Unter einem Schuppen, tief im Boden verborgen, liefert der Brunnen bis heute klares Wasser.

Die im Adelsbesitz befindlichen Pachthöfe waren meist nicht der Real-Erbteilung unterworfen, sie blieben über Jahrhunderte bestehen bzw. wurden arrondiert, so dass die Pächter gegenüber den Ackerern oder Kleinbauern erheblich im Vorteil waren. Daher waren die Halbwinnerhöfe äusserst begehrt. Und im Falle des Muffendorfer Burggutes scheint das Verhältnis zwischen den Pächtern und dem Grundherren ein relativ vertrauensvolles gewesen zu sein, wenn auch der Pachtherr sich vieles von Zeugen schriftlich bestätigen liess. Allein die lange Pachtdauer, die sich über 100 Jahre für die Familie Merzenich-Waasem erstreckte, ist ein Hinweis auf das recht gute Verhältnis zwischen Pächtern und den von Weichs.

Schwierig wurde die Situation als der Halbwinner Anton Waasem verstorben ist und seine Witwe nicht in der Lage ist, die Wirtschaft einträglich zu gestalten.

1803, am 11. Fructidor 11. Jahres der Republik (29. August 1803), setzt die Familie Waasems einen Vertrag zwischen der Witwe und ihren Kindern auf, der im Detail regelt, wie die Frau ihre Schulden zu begleichen gedenkt, da wegen dieser Schulden der Grundherr die Pacht gekündigt hat, und die Familie das Gut verlassen muss. Der Vertrag lautet:

„Familien-Beschluss
(Von seiten Wittib Waasems als abgestorbener halbwinnerin des guths-hofes zu Muffendorf und schon unten unterzeichneten kindern)
Den unten gesetzten jahr und tag kame die wittib Waasems mit ihren (...)kindern zu ihrem pastor zu Muffendorf nahmens Frid. Adam Völsgen und begehrte einen freundschaftlichen familien beschluß aufgesetzt zu haben, wie sie am besten die rückständige schuld Ihrer gnädigen herrschafft abführen könnte, so ist nach reiflicher überlegung folgender accord beschlossen worden in gegenward der (...)baren männer Reinerus Wallraff, Urban Jülig, und Joannes Weinris und zwar unter folgenden bedignißen:
1tns: übergiebt die wittib Waasems ihren kinder die winter und sommer früchten wie sie noch in die schür und feld vorhanden seyn mit dem vorbehalt, dass ihre kinder ihr für dieses jahr zu ihrer nothdurft drey malter korn, ein halb malter weitzen, ein halb malter gersten, zwei sester erbsen, zwei sester weiße türckische bohnen, zehn mangen erdäpfel, sechs mangen gelbe rüben, sechs mangen weiße rüben, kappes und köhl, so viel sie zu ihrer nothdurft braucht verabfolgen lassen
2tens überträgt sie ihren kindern das noch auf den bäumen vorhandene obst, doch halt sie sich drey mangen äpfel für sich
3tens übergiebt sie ihren kinder alle trauben wie sie in den herrschaftlichen weingarten sich befinden.
4tens übertragt sie ihren kinder alles gereid (mobile Gut) so im hauß, hof und ställen vorfindlich. Von diesem gereid halt die mutter für sich und ihre nothdurft alles leinwand, weil nicht viel vorhanden ein bettstatt samt bett, decken und küssen (Kissen), die stühl, eine kist, einen tisch, den ofen, so oben auf dem zimmer stehet, samt dem darauf passenden keßel, (...)keßel samt geschier darzu zweyhundert kerzen, samt (...) alte vasen, alle alten weßelen, ein küchenkanne, und eine küche.
5tens ist verabredet worden, dass aus diesen früchten, wein und anderen gereide die kinder sich verbinden die rückständige schuld in kurzer zeit der gnädigen herrschaft abzumachen, und was hiervon übrig bleibt, so verwandt werden zur tilgung der anderen mütterlichen schuld wie sie nahmen hat.
Damit nun kein unterschied zwischen den kindern geschehen könne, soll gleich beim beschluß und unterzeichnung dieses familien tractats das gereide von oben angesetzten männern aufgezeichnet werden, wofür dann alle kinder haften müssen bis zum verbrauch, welches gereide in acht tägen zeit verkauft werden muß, was verkäuflich ist, und dann müssen alle kinder den hof raumen gemäs befehl der gnädigen herrschaft.

Damit aber die gnädige herrschaft sowohl als auch die mutter der zalung der schuld versichert sein können wird das aus sämtlichen gereide heraus kommende gelt der Joannes Weinris als der oheim der kinder einfangen, und der herrschaft überliefern. Also beschlossen und unterzeichnet Muffendorf, den 11. Fructidor 11. Jahres der Republik
Remirus Waassem bekenn wie oben
Anton Wassem bekenn dieses wie oben
Henrich Waasem bekenn wie oben
Antonius Waasem bekenn wie oben
Wilhelm Christoph bekenn wie oben (dieses ist der Christophori Waasem X sein Merkzeichen)
Weil schreibens unerfahren
Dieses ist der Maria Anna Waasems ihr Merkzeichen X weil schreibens unerfahren
Urban Jülig
Gerhardus Wessel
Johann Weinriß
Renneri Walraff“
.

Größtenteils ist dieser Schriftsatz gut leserlich geschrieben. Unleserliches wurde durch (...) gekennzeichnet.

Die Witwe Waasem ist offenbar so sehr in Rückstand geraten mit ihren Zahlungen, dass der Pachtherr sich genötigt sieht, den Vertrag zu kündigen. Die Witwe muss ihren Lebensunterhalt nun offenbar aus sehr bedrängter Situation heraus sichern und darüber hinaus alles verkäufliche bewegliche Gut einsetzen, um ihre Schulden zu begleichen.

Damit hätte die langjährige Pachtzeit der Waasems auf dem Rittersitz der von Weichs enden können.

Aber es kommt anders: Nach einigem Hin und Her findet sich 1811 ein neuer Pächter, Christoffel Schwingen aus Muffendorf, der mit seiner Frau Ursula, geb. Zeugs, den Hof übernimmt (Best. 475). Ursula Zeugs ist Witwe des Anton Waasem jun. und bringt drei Kinder mit in die Ehe: Gerhard, Veronica und Johannes. So ist die Pacht für die nächste Generation der Waasem-Kinder wiederum gesichert.

Erhalten ist ein Brief vom 29. November 1810, in welchem die Schwiegermutter der Ursula Zeugs, die Witwe Waasem sen., darüber klagt, dass sie sehr schlecht von ihrer Schwiegertochter, der Witwe ihres Sohnes, behandelt würde, und sie daher einen anderen Pächter für den Hof vorschlägt.

Gegen diese Ursula Zeugs bringt Pastor Völsgen aus Muffendorf dann ebenfalls schriftlich am 17.3.1811 schwerwiegende Argumente vor: sie habe bereits den Waasem „heiraten müssen“ und habe sich nun als Witwe wieder „beschwängern“ lassen, diesmal von Christoffel Schwingen, um „ewige Halbwinnerin“ auf dem Gut sein zu können. Gleichzeitig schlägt der Pastor einen anderen Bewerber um das Gut vor, den gleichen, den auch die Witwe Waasem sen. vorschlägt.

Dieser Intrige ist kein Erfolg beschieden. Bereits einen Tag später, am 18. März 1811 stellt Urban Jülich dem Christoffel ein sehr gutes Zeugnis aus. Auch weist er auf dessen Vermögen hin, das Johann Schwingen seinem Sohn hinterlassen hat. Am 30. April 1811 stellt Urban Jülich, der Gemeindevorsteher Muffendorfs dem Christoffel Schwingen und der Ursula Zeugs nochmals ein gutes Leumundszeugnis aus, worauf am 21. Juli 1811 der Pachtvertrag zwischen Franz Otto von Weichs und Christoffel Schwingen geschlossen wird.

Dieser Pachtvertrag mit Christoffel Schwingen ist erhalten und schönes Dokument der Landwirtschaft des frühen 19. Jahrhunderts.

Für das Gut werden an Pacht 40 Reichstaler vereinbart, die in Münzen zu zahlen sind, ebenso sind die Kontributionen und sonstige Abgaben und Lasten vom Pächter zu zahlen. Die Ländereien sind in gutem Stande zu halten, insbesondere gilt das Augenmerk den Weingärten, die gut zu pflegen seien. Die notwendigen Hölzer für die Weinstöcke dürfen aus dem freiherrlichen Wald herbeigeholt werden, das Altholz als Brennholz genutzt werden. Alle drei Jahre ist zu düngen und die alten Pflanzungen sind jährlichs um ein halbes Viertel zu verjüngen. Dies soll so lange geschehen, bis alles verjüngt ist. Die Kosten für den Weinan- und -ausbau sind vom Halffen zu tragen, dafür erhält er für den Anteil des Pachtherren pro Ohm eine Entschädigung von einem Reichstaler. Der Wein ist solange im Gutskeller zu lagern, bis er ohne Gefahr abgeholt werden kann oder anders vermarktet werden soll. Auch die Obstgärten sind in gutem Stand zu halten und da, wo nötig, mit Edelhölzern zu verjüngen. Angepflanzt werden sollen: Äpfel, Birnen, Kirschen und Quetschen, deren Ertrag den Pächtern gehören soll.

Der Wald ist mit Anpflanzung von Tannen, Eichenstämmchen und Edelbüschen zu pflegen.

Für den Fall, dass dieser Vertrag, der auf 12 Jahre geschlossen wurde, nicht eingehalten würde, sollen die Pächter mit all ihrem Hab und Gut („Geraide“) bürgen.

Auch die rückständige Pacht (175 Reichstaler) ist zu Martini abzuzahlen. So dass die Pächter zunächst jährlich 65 Reichstaler zu zahlen haben.

Dass sich die Erwartungen des Pachtherren erfüllten, darf angenommen werden, denn die Einnahmen-Übersicht 1819 – 24 ergibt eine Pachtsumme von 237 Talern, das lässt darauf schließen, dass in den Jahren von 1811 bis 1818 die Schulden abgetragen worden sind.

Am 2. März 1819 verstarb Caspar Joseph von Weichs, der letzte männliche Abkömmling der Körtlinghausenschen Linie der von Weichs. Zwischen seiner Witwe Franziska von Fürstenberg und den beiden Töchtern seines Bruder Clemens August (Maria Anna von Aschberg zu Venne und Anna Maria Therese Droste zu Senden) entwickelte sich ein langjähriger Erbstreit um die Güter zu Waldorf und Muffendorf, der mit dem Verkauf des Gutes zu Muffendorf endete.

Am 11. April 1831, so berichtet Strack, kaufen „Max und Laurenz Blinzler, Gastwirte in Godesberg, sowie Huberth Mathonet, Kirchenempfänger und Rendant,“ das Muffendorfer Anwesen. „Diese drei verkauften noch im gleichen Jahr das Gut an den langjährigen Pächter Christoph Schwingen und Ehefrau“ (a.a.O. S. 134). Christoph Schwingens Ehefrau war Ursula Zeugs. Im Vertrag wurde das Gut genannt „Weingut alte Burg“. Laut Wiedemann umfasste es insgesamt 47 Morgen (a.a.O. S. 111).

Wenn diese Angaben korrekt sind, müsste zwischen 1803 und 1831 das Gut um 23 Morgen vergrößert worden sein, was entweder auf eine erfolgreiche Bewirtschaftung schließen lässt oder darauf, dass die drei Ersterwerber 1831 bereits Land hinzukaufen und so arrondieren konnten.

Später gelangte das Gut aus dem Besitz der Schwingens an die Familie Raaf, ein Nachfahre der Familie lebt noch heute dort. Bis weit in das 20. Jahrhundert wurde das Grundstück die „alte Burg“ oder „auf der Burg“ genannt.

Die baulichen Überreste der Burg sind zwischen 1750 und 1831 verfallen, mutwillig zerstört worden oder zur Gewinnung von Baumaterial genutzt worden. Der jetzige Besitzer des Grundstückes berichtet glaubhaft, dass ca. 30 cm unter der Ackerkrume zahlreiche Grundmauern und Reste des ehemaligen Burggebäudes zu finden seien. Beim Pflügen habe er immer sehr vorsichtig sein müssen, da Ziegelsteine und anderes Mauerwerk das Pflügen behindert hätten. Auch das Setzen der Pfähle für die Obstbäume sei sehr schwierig gewesen, da in 30 cm Tiefe eine feste, undurchdringliche Schicht bestanden habe. Systematische archäologische Untersuchungen könnten Aufschluss über die Burg bringen und möglicherweise auch Hinweise liefern, wie weit ihre Geschichte in das Mittelalter zurückreicht und wie die Burg ausgesehen haben kann. An dieser Stelle soll nur noch ein Hinweis auf ein ähnlich gelagertes Schicksal einer mittelalterlichen Burg ganz in der Nähe Muffendorfs gegeben werden. Severin Corsten hat in seiner Abhandlung über den Hof der Abtei Stablo zu Villip (Bonner Geschichtsblätter 24, S. 38 ff.) auf eine untergegangene Burg in Villip, „Am Scharfenstein“ gelegen, hingewiesen, deren Ursprünge möglicherweise auf den Merowinger Sigibert III. zurückzuführen sind, auf den Gründer des Doppelklosters Stablo-Malmedy, das seit dem 9. Jahrhundert nachweislich in Villip begütert gewesen ist. Wenn also der Villiper Hof bereits zur frühen Ausstattung des Klosters Stablo gehört hat, wäre dies ein weiterer Beleg dafür, dass das „Ländchen“ bereits zur Zeit der Merowinger eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung hatte. Auch das ursprüngliche ehemalige St. Martinspatrozinium in Villip spricht für diese These.

Das Dorf im 17., 18. und 19. Jahrhundert

Die ältesten Grabkreuze auf dem Friedhof bei Alt St. Martin stammen aus dem 17. Jahrhundert, Wiedemann konnte auf einem der alten Grabkreuze noch die Jahreszahl „1626“ lesen. Stiftungen für die alte Martinskirche sind über Jahrhunderte nachgewiesen, so von 1514, 1689, 1721, 1796.

Im Jahr 1643 erhielt die alte St. Martinskirche einen geschnitzten Altaraufsatz, der im Zuge von Modernisierungen im frühen 20. Jahrhundert allerdings entfernt wurde und nach Liblar, in die Katholische Pfarrkirche St. Alban, abwanderte. Die beiden zugehörigen Barockgemälde mit der Darstellung des Hl. Martin und der Hl. Familie sind noch erhalten und bedürfen einer Restaurierung. (Hüllen, Frank: Muffendorfer Altar in Erftstadt entdeckt, in: Godesberger Heimatblätter 47, S. 12).

Martinstraße, Blick auf die alten Schulhäuser (2001), Muffendorf Hauptstraße von Süden (2005)
Abb. 21 & 22: Martinstraße, Blick auf die alten Schulhäuser (2001); Muffendorf Hauptstraße von Süden (2005)

Die schönen Fachwerkhäuser Muffendorfs bestimmen heute das Erscheinungsbild des Ortes. Allerdings fällt auf, dass die ganz überwiegende Zahl der Häuser frühestens aus dem 18. Jahrhundert (z.B. 1716, 1746, 1747, 1752, 1796) oder aus späterer Zeit stammen. Auf einem giebelständigen Fachwerkhaus in der Klosterbergstrasse (Nr. 53) findet sich über der Haustür die aufgemalte Zahl 1657. Warum sich nicht mehr Häuser aus früherer Zeit erhalten haben, ist eine Frage, die mit den Einwirkungen der zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen der nachmittelalterlichen Zeit im Rheinland zu beantworten ist. Vielleicht spielte auch das Erdbeben vom 19. Februar 1673 eine Rolle dabei, denn es war ein so starkes Beben, dass Teile der Burg Rolandseck einstürzten, die ja nur wenige Kilometer von Muffendorf entfernt liegt. Überfälle der Schweden oder der Franzosen, Devastierungen oder Feuersbrünste wie in Mehlem sind für Muffendorf in dieser Zeit nicht quellenmäßig überliefert, was aber nicht heißt, dass solche Vorkommnisse gänzlich auszuschließen wären. 

Muffendorfer Hauptstraße auf Höhe des Hauses Nr. 39 (um 1900)
Abb. 23: Muffendorfer Hauptstraße auf Höhe des Hauses Nr. 39 (um 1900)

Ein Kreuz vor dem Hause Nr. 39 in der Muffendorfer Hauptstraße trägt die Jahreszahl 1698. Es wurde in einer für das kölnische Rheinland höchst unruhigen Zeit errichtet. Nach dem Bombardement von 1689 im Pfälzischen Krieg lag Bonn in Schutt und Asche. Auch das Umland, und damit Muffendorf, wird in Mitleidenschaft gezogen worden sein, sei es durch marodierende Truppen, durch Besatzung oder Zerstörungen. Die ältesten Teile des Siegburger Hofes, die nach Norden, dem Weinberg zu stehen, gehen auf die Jahre 1694/95 zurück, wenige Jahre nach der völligen Zerstörung Bonns 1689. Eine sehr aussagekräftige Schilderung der Beschießung der Stadt Bonn im Jahr 1689 gibt Maaßen (S. 292) betreffend das Kloster der Capuzinerinnen: „In der That ist ihnen auch kein anderes Leid widerfahren, als dass eine Schwester durch ein feindliches Geschoß leicht verwundet wurde, obwohl man innerhalb der Klostermauern 76 fünfundzwanzigpfündige, 24 zwölfpfündige nebst 11 anderen großen Kugeln am 10. Oktober nach beendigtem Bombardement sammelte und der größte Theil der Stadt, fast alle Kirchen und Klöster in Asche gelegt waren“.

Man kann also davon ausgehen, dass auch Muffendorf von den französischen Truppen geplündert und eingeäschert wurde, bevor sie von den Truppen der Allianz zur Kapitulation im Oktober 1689 gezwungen wurden.

Es wird anhand der Jahreszahlen allerdings auch deutlich, dass einige Fachwerkbauten des 18. Jahrhunderts mit ihren schönen Binnenhöfen das schwere Erdbeben am 18. Februar 1756, dessen Epizentrum bei Düren lag und dessen Erschütterungen von London bis Straßburg zu spüren gewesen waren, überstanden haben. Dieses Erdbeben gilt bis heute als das schwerste Beben im Rheinland überhaupt.

Muffendorfer Hauptstraße 39, Zustand vor der Restaurierung (um 1900); Zustand während der Restaurierung (um 1900); Blick auf Haus Nr. 39 im Jahr 2005
Abb. 24-26: Muffendorfer Hauptstraße 39, Zustand vor (links) und während der Restaurierung (rechts oben) (beide um 1900); Blick auf Haus Nr. 39 im Jahr 2005 (rechts unten)
Bildstock an der Benngasse, die trauernden Frauen am Kreuz (2001)
Abb. 27: Bildstock an der Benngasse; die trauernden Frauen am Kreuz (2001)

Aus dem 18. Jahrhundert sind erwähnenswert insbesondere das Alte Pastorat (1721) in der Martinstraße und die Bildstöcke: beginnend mit dem Bildstock an der Ecke Talstraße/Waasemstr./Muffendorfer Hauptstr., dieser gehört zu den sieben Bildstöcken im Dorf, die den Sieben Schmerzen Mariens gewidmet sind. Die Bildstöcke entstanden 1725, sind aber nicht im Originalzustand erhalten. Dieser erste mit der Darbringung Jesu im Tempel ist inschriftlich datiert: 1725. Diese Bildstöcke stehen in einem inneren Zusammenhang mit der Figurengruppe der Marienklage aus dem 16. Jahrhundert, die sich heute in der Pfarrkirche St. Martin befindet.

Die Stationen der Bildstöcke sind: Darbringung im Tempel: Talstraße, Flucht nach Ägypten: Gringsstrasse/Deutschherrenstraße, Jesu predigt im Tempel: An der Kommende/Deutschherrenstraße, Begegnung auf dem Kreuzweg: Benngasse/Deutschherrenstraße, Kreuzigung: Benngasse geg. Haus Nr. 12, Kreuzabnahme: Muffendorfer Hauptstraße Haus Nr. 70, Grablegung: Friedhof/Alte St. Martinskirche. Bis weit in die 1950er Jahre hinein bestand in Muffendorf noch der Brauch der Sieben Fußfälle, an den Bildstöcken wurde bei Todesfällen von den Mädchen und Frauen der Nachbarschaft je ein Vaterunser und ein weiteres Gebet für den Verstorbenen gesprochen. So waren die Bildstöcke nicht nur im Marienmonat September in das dörfliche Leben einbezogen.

Etwa in diese Zeit ist auch die Errichtung der schweren Basaltmauern rund um die Alt St. Martin und um den Gemüsegarten der Kommende zu datieren. Wahrscheinlich sind in diesem Zuge auch die schweren Basalt-Stützmauern des Kirchturms errichtet worden.

Auch der ursprüngliche Bau des Kelterhauses in der Gringsstraße stammt aus dem frühen 18. Jahrhundert, die ältesten Bauteile sind mit 1723 datiert.

Muffendorf aus der Vogelschau, Ausschnitt aus dem Ehmannschen Flurkartenatlas (1759)
Abb. 28: Muffendorf aus der Vogelschau, Ausschnitt aus dem Ehmannschen Flurkartenatlas (1759)

Die Aktenlage des St. Katharinenklosters (Köln) zur Kommende Muffendorf war für die Zeit von 1777 bis 1794 noch einmal recht ergiebig. Die Einnahmen und Ausgaben dieser Jahre liegen vollständig vor, die Akten gehören aber zu den Verlusten durch den Einsturz des Kölner Stadtarchivs am 3. März 2009.

Die Folgen der Französischen Revolution von 1789 erreichten das Rheinland. Am 8. Oktober 1794 begann eine neue Zeit für Muffendorf: die Franzosen zogen ein und pflanzten vor der Kommende den Freiheitsbaum auf, zugleich zogen die französischen Truppen unter General Marceau durch den Kottenforst und erlegten alles Wild, das ihnen vor die Flinte kam, um es an die Bonner Bevölkerung zu verteilen. Ein politischer Akt, der das Privileg der Adelsjagd aufhob und symbolisierte, dass eine neue Zeit herangekommen war. (siehe Napoleons Truppen im Kottenforst).

Eine wirtschaftlich schwierige Zeit brach an. Allerdings war das ländliche Muffendorf mit seinen Wingerten eher an der Peripherie des historischen Geschehens. Möglicherweise stehen aber die Zerstörungen der alten Burggebäude im Zusammenhang mit dem Jagdfrevel der napoleonischen Truppen im Kottenforst. Napoleon weilte zwar kurz in Bonn (1804 und 1811), aber bis auf die Aufstellung des Freiheitsbaums und die Devastierungen durch die einquartierten und durchziehenden Franzosen scheint sich nichts Wesentliches im Dorf ereignet zu haben. 1802 wurde das seit 1136 im Besitz des Cassius-Stiftes zu Bonn befindliche Hofgut säkularisiert und veräussert: der Kapitelshof, Scheune, Ställe und Kelter mit 5,22 ha Land (davon 1,22 ha Weinberg) wurden für 5.125 Fr. verkauft. Auch dieser Hof, der gegenüber der Kommende lag, verfügte also über eine eigene Kelter (NRKB, S. 373).

1801 wurde die Deutschordenskommende säkularisiert und 1803 verkauft, dabei handelte es sich um

„Kommanderie, Haus, Ställe, Scheune, Kelter, 104,4 ha Land, 3,92 ha Weinberge, 6,96 ha Wiese, 1,1 ha Baumgarten“ (NRKB, S. 421), also für das Rheinland keine ganz kleine Landwirtschaft. Zum Preis von 130.000 Fr. erwarb der Kölner Kaufmann Gottfried Schmitz die Gebäude. Später gelangten sie in Besitz der Familie von Fürstenberg, danach gehörte die Kommende der Familie Meyer. In den 1950er Jahren erwarb der Belgische Staat die Liegenschaft, die dann als Residenz des Belgischen Botschafters diente. Heute ist die Kommende privatisiert und dient Wohnzwecken.

1813 wurde Peter Schwingen, geschätzter Maler der Düsseldorfer Malerschule, in Muffendorf auf der Gassen 95 (heute Muffendorfer Hauptstr. 36, Neubau aus dem 20. Jh.) geboren. Seine Vorfahren waren Pächter auf dem Hof des Cassius-Stiftes gewesen.

Impression mit Muffendorfer Weinrebe (2005)
Abb. 29: Impression mit Muffendorfer Weinrebe (2005)

Nach dem Wiener Kongress 1815 wurde das Rheinland Preußen zugesprochen, eine Zeit des großen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels brach an. Der „Rheinische Antiquarius“ (Christian Stramberg) gibt für 1815 an: 110 Häuser und 543 Einwohner in Muffendorf, auch lobt der Autor ausdrücklich den Muffendorfer Wein, der neben dem Lengsdorfer Tröpfchen das Beste sei, das die Weinbauregion Bonn zu bieten habe.

1831 erbrachte ein Zensus für Muffendorf folgendes Ergebnis: 129 Feuerstätten (inkl. der Wattendorfer Mühle und des Heiderhofes) mit 665 Einwohnern. So war Muffendorf bis dahin ein immer noch kleines Bauern- und Winzerdorf im Rheinland. Im gleichen Jahr 1831 liefert Johanna Schopenhauer eine sehr gut beobachtete Charakterisierung der Landschaft rings um Godesberg (Ausflug an den Niederrhein und nach Belgien 1828, Druck 1831), Viertes Kapitel. – Godesberg, die erlaubt, sich ein recht anschauliches Bild von den Zuständen, sicher ähnlich auch in Muffendorf, zu machen.

„Unbeschreiblich anmuthig ist die Gegend ringsumher; wohin das Auge sich wendet, überschaut es ein fruchtbar angebautes herrliches Land, prangend im höchsten Reiz der üppigsten Vegetation. Die ganze Gegend zwischen Honneff und Plittersdorf, mit allen zwischen beiden liegenden Ortschaften, bildet das köstlichste Panorama. Der Rhein fließt zu tief, um von Godesberg aus gesehen zu werden, man glaubt eine ununterbrochene, sanft abhängige Ebene vor sich zu haben, durch welche in einiger Entfernung die stets belebte große Heerstraße sich hindurchwindet, und nur der vom Dampfschiff aufsteigende Rauch, oder das hochstehende Segel eines Schiffes verräth zuweilen das Dasein des ungesehen sie unterbrechenden Stromes.

Das Siebengebirge, vor allem der prächtige Drachenfels mit seiner pittoresken Ruine, begränzen rechts hinter Honneff die köstliche Aussicht. Wenn die Sonne sinkt, die kühnen Contours des Gebirges, vom Abendstrahl geröthet, aus dem dunkleren Blau des Himmels kräftiger hervortreten, dann steigt der feuchte Duft aus dem Rheine auf, und hüllt die Ferne und die Berge in jenen bläulich violetten durchsichtigen Schleier, den wir auf italienischen Landschaften als eine nur dem wärmeren Süden angehörende Erscheinung bewundern. Wenn nun der Abend völlig hereinbricht, dann ruft das Glockengeläute aus den nahen und ferneren Ortschaften die von der Feldarbeit Heimkehrenden zum Abendgebet, und zittert in bebenden, unbeschreiblich harmonischen Tönen durch die stille Luft. Und wenn nun Alles zur Ruhe ist, und später der Vollmond hinter dem Drachenfels aufsteigt, und ehe er ganz sich zeiget, durch die weite Fensterlücke der Ruine auf die untenschlummernden Gefilde, wie eine lächelnde Mutter auf ihr sanftschlafendes Kind niederblickt, dann wird es so still in der Menschenbrust wie draußen in der Natur, und himmlischer Gottesfrieden verbreitet sich selbst über ein schmerzlichst verwundetes Gemüth.

Daß das Land wegen des ungleich höheren Werthes des Grundbesitzes in weit kleinere Theile eingetheilt ist als bei uns im Norden, und selbst die größeren Landgüter reicher Gutsbesitzer von bei weitem geringerem Umfange sind, das gibt ihm eben jenes reiche gartenähnliche Ansehen, das längs dem Ufer des Rheines so auffallend die Gegend verschönert. Das Feldeigenthum des eigentlichen Landmannes, der fast durchgängig vom Weinbau leben muß, ist unglaublich klein, die Früchte, die er gewinnt, reichen meistens nur zum Bedarf seines eigenen Haushaltes hin, deshalb wachsen und blühen die mannichfaltigsten Feld- und Gartenfrüchte auf den kleinen Feldern dicht neben einander und gewähren durch diese Mannichfaltigkeit einen unbeschreiblich reizenden Anblick. Auch das kleinste Fleckchen Erde hat hier bedeutenden Werth, und muß so gut als möglich benutzt werden; Rebengelände, Obstbäume, weitschattende Nußbäume stehen überall zwischen Getreidefeldern und Gemüsegärten, kein urbares Fleckchen bleibt unbebaut, und urbar ist jedes auf diesem fruchtbaren Boden, der nie der Ruhe bedarf, weshalb man auch nirgend brachliegende Felder erblickt.

Das Land bringt seinem Besitzer gewöhnlich zwei Ernten in einem Jahre, zuweilen auch drei, je nachdem es bebaut wird; den Erbsen folgen unmittelbar Kohlpflanzen und ähnliche Küchengewächse, und kaum ist der Roggen in die Scheuer gebracht, so wird das Stoppelfeld umgepflügt und mit Rüben besäet. So geht es immerfort im ewigen Kreislauf. Die allernährende Erde hört nie auf, den Fleiß dieser arbeitsamen Menschen mit ihrem reichsten Segen zu belohnen; vom Februar bis tief in den November hinein grünen Feld und Garten und bringen Früchte, nirgend ein sichtbarer Stillstand in dem wohlthätigen Walten der Natur.

Wiesen sieht man selten, dazu ist der Boden zu kostbar, aber destomehr üppig gedeihende Kleefelder, deren Duft nebst dem der blühenden Bohnenfelder sich im Juni mit dem der blühenden Reben vereint und das ganze Land mit berauschendem Wohlgeruch erfüllt.

Nur Eines vermißte ich ungern in diesem sonst so reich ausgestatteten Lande, die Pracht der grünen weitschattenden Wälder und einzelner hoch zum Himmel aufragender alter Bäume. Was man hier Wald nennt, ist nur Gebüsch mit wenigen höheren Bäumen untermischt, bei denen man an die majestätischen Eichen, die hohen prächtigen Buchen des nördlichen Deutschlands gar nicht denken darf. Wären die Steinkohlengruben in der weniger von der Natur begabten Nachbarschaft des Niederrheins nicht, man könnte, unerachtet des wärmeren Klimas, hier im Winter aus Mangel an Holz zu erfrieren fürchten; doch durch diese ist auch für dieses Bedürfniß von der diesem Lande besonders günstigen Erhalterin aller Wesen reichlich gesorgt, selbst für den ärmsten Bewohner desselben, indem sie Schifffahrt auf dem Rhein den Transport des nöthigen, an sich sehr wohlfeilen Brennmaterials ungemein erleichtert.

Auch die lebendige Staffage der schönen buntgefleckten Kühe, der muthig den Boden stampfenden, vor Lust wiehernden Pferde auf Wiesen und im Herbste auf abgemähten Feldern, an die mein nordisches Auge von Jugend auf gewöhnt wurde, vermisse ich hier. Viehzucht wird hier nicht betrieben, die paar Kühe, welche der Landmann für seinen Hausbedarf hält, bleiben im Stalle, und wer nicht besonders darauf ausginge, könnte hier Jahre lang auf dem Lande leben, ohne eine einzige derselben zu Gesichte zu bekommen. Auch Pferde sind hier selten, zum Fuhrwerk kann man, der Nähe des Rheines wegen, sie entbehren, der Weinbauer bedarf ihrer nicht, und die Feldarbeit wird meistens durch Zugochsen betrieben, deren Anzahl unglaublich gering ist, weil ein Nachbar sie vom andern borgt, wenn er ihrer bedarf. In einzelnen Dörfern und kleinen Städtchen, wie zum Beispiel in Unkel, ist oft nur ein einziges Pferd und ein Zugochse anzutreffen. Daß die Postpferde und Equipagen der vornehmen Gutsbesitzer dabei nicht in Anschlag kommen, brauche ich wohl nicht besonders zu erwähnen.

Das Hirtenamt ist hier ein fast nicht gekanntes; nur selten sieht man am Abhänge zum Weinbau untauglicher Berge eine kleine Heerde Schafe und einige Ziegen unter der Aufsicht eines Knaben weiden; nirgend wackelt eine Gesellschaft laut durcheinander schnatternder Gänse, von einem sie gouvernirenden Mädchen geführt, dem Wanderer entgegen, denen man in nördlicheren Gegenden in so zahlreicher Menge begegnet; der fruchtbare Boden bietet keine Triften für sie, und diese nützlichen Thiere werden hier wenig geachtet, da Federbetten ein dem gemeinen Mann fast unbekannter Luxus sind; nur hie und da in verschlossenen Höfen werden einige von ihnen zum Martinsbraten gezogen. Dieser völlige Mangel an Hausthieren gibt der Gegend, besonders den Dörfern, einen ganz eigenen Charakter von Abgeschiedenheit und Stille, der dem nicht daran Gewöhnten anfangs recht auffallend wird. Kein Geläute der Kuhglocken, kein Gebrülle der ausziehenden oder heimkehrenden Heerden, keine Hirtenschalmei verkündet den Eintritt der verschiedenen Tageszeiten, wie in anderen Gegenden Deutschlands, oder wie in der Schweiz, wo die Kühe beinahe wie Glieder der Familie betrachtet und behandelt werden.“

So mag man sich also auch die wirtschaftlichen Verhältnisse in Muffendorf im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts vorzustellen haben. Eines der wenigen literarischen Zeugnisse der Zeit, das sich mit dem Leben in den rheinischen Dörfern beschäftigt. Für Muffendorf liegt bisher keine grafische Abbildung aus dieser Zeit vor. Aber ein sehr hübscher Stich von Peter Becker und Jacob Ludwig Buhl aus dem „Malerischen Rheinalbum. Nach Originalzeichnungen von Peter Becker litho. von J. L. Buhl. In Farbe gedruckt bei E. G. May & Wirsing Frankfurt a. Main“ (um 1855) zeigt einen Blick über das Dorf Poppelsdorf über das Poppelsdorfer Schloß hinweg Richtung Bonn. Ähnlich hat man sich das kleine Muffendorf in dieser Zeit vorzustellen (StadtMuseum Bonn, SMB 1991/B19, Foto: Herzog).

Der 1813 in Muffendorf geborene Maler Peter Schwingen († 1863 in Düsseldorf) mag als Knäblein noch manche rheinische Idylle im Dorf erlebt haben. Seine Genrebilder halten die Erinnerung daran wach, sie sind Dokumente rheinischer Bräuche und rheinischen Lebens in vormoderner Zeit.

1836 wird auf dem Hof seiner Eltern in Muffendorf Herman Kortum (†24. September 1904) geboren, der später ein bekannter und allseits beliebter Mathematikprofessor an der Bonner Universität wurde. Im Nachruf wird sein unbestechlich klarer Blick, seine Eigenständigkeit im Denken, seine Warmherzigkeit und sein Humor hervorgehoben, er gilt als ein rheinisches Original.

Hauptstraße Nr. 56 (um 1920)
Abb. 30: Hauptstraße Nr. 56 (um 1920)

Die Muffendorfer Winzer bauten bis  etwa 1890 vorzugsweise blaue Burgundertrauben an, der Wein daraus hatte einen guten Markt. Frühburgunder wird noch heute an der Ahr angebaut und findet seine Liebhaber. In Muffendorf brachten Anbauversuche mit Früh- und Spätburgunder in den 1970er und 1980er Jahren keine guten Ergebnisse, so dass weitgehend auf eine pilzunempfindliche Neuzüchtung, die Sorte Regent, umgestellt wurde, die heute mit viel Erfolg als „Muffendorfer Klosterberg“ an- und ausgebaut wird. Zum landwirtschaftlichen Wohlstand im 19. Jahrhundert trugen auch die Muffendorfer Pfirsiche bei: „Eine schöne Anekdote existiert für die Ausbreitung der Pfirsichkultur um Muffendorf bei Bonn. Demnach soll ein junger Mann 1830 in einem Kölner Delikatessengeschäft „zwei prachtvolle französische Pfirsiche“ erworben und die Steine dieser Pfirsiche im elterlichen Garten vergraben haben. Durch die finanziellen Erfolge, die mit den Nachkommen dieser Pfirsiche erzielt wurden, breitete sich die Pfirsichkultur im Raum Muffendorf schnell aus. Zur Zeit der Pfirsichblüte war Muffendorf in ein Meer von intensiv rosafarbenen Blütenwolken getaucht und wurde zum Ausflugsziel der Bonner  und Godesberger Bevölkerung. Große Tanzsäle in den alten Gaststätten Schneider-Rausch (Kleine Beethovenhalle) und der „Post“ (heute ein privates Wohnhaus) künden noch heute von ausgelassen Festivitäten anlässlich der Pfirsichblüte. Der Verleger Alexander Duncker schreibt in seiner großartigen Sammlung der Adelssitze in Preußen über Muffendorf: „Das Rittergut Muffendorf, ein zusammenhängendes Grundeigentum von pp. 700 Morgen des vorzüglichsten Bodens, eine Meile von Bonn vis a vis von Königswinter, zählt zu den schönsten Punkten des Höhenzuges, welche sich als Ausläufer des sogenannten Vorgebirges am linken Rheinufer zwischen Godesberg und Rolandseck erstreckt. Wenn der Wanderer dort, wo die alte Heerstrasse von Eckendorf mündete und wo gegen Ausgang des 9. Jahrhunderts die wilden Schaaren der Normannen plündernd und verwüstend vorbeigezogen, das an der Höhe sanft aufsteigende Dorf betritt, öffnet sich ihm eine herrliche Aussicht auf die gegenüberliegenden Kuppen des Siebengebirges und in die Thalgrunde, welche rechts und links Lannesdorf, Ober- und Nieder-Bachem und die übrigen Ortschaften des ehemaligen Ländchens Drachenfels umsäumen“. Ein liebenswürdiges Urteil, das den scharfen Blick Dunckers für die landschaftlichen Schönheiten dokumentiert.

German Hubert Christian Maaßen schreibt in seiner Geschichte der Pfarreien des Dekanates Bonn zu Muffendorf: „Das Pfarrdorf mit dem Heiderhof und der am Godesberger Bach gelegenen Wattendorfer Mühle hat nach dem Handbuch der Erzdiözese von 1895 im Ganzen 870 katholische Einwohner, 6 Protestanten, 4 Israeliten“ (S. 286). Das wären insgesamt also 880 Einwohner.

1896 kaufen Valentin Pfeifer und sein Schwiegersohn Joseph Mayer die Kommende und bauen sie zum Wohnsitz um.

Blick über Muffendorf auf das Siebengebirge von der Cäcilienhöhe aus (nach 1910)
Abb. 31: Blick über Muffendorf auf das Siebengebirge von der Cäcilienhöhe aus (nach 1910)

Das 20. Jahrhundert

Muffendorfer Gringsgässer (2005); Pfirsichblüte an der Kosterbergstraße (um 1920)
Abb. 32 & 33: Muffendorfer Gringsgässer (2005); Pfirsichblüte an der Kosterbergstraße (um 1920)
Muffendorf-Panorama vom Lyngsberg bis zur Stella Rheni
Abb. 34: Diese Postkarte, die 1915 in Godesberg abgestempelt wurde, haben freundlicherweise Maria und Johannes Schwind zur Verfügung gestellt. Beeindruckend das Panorama vom Lyngsberg bis zur Stella Rheni. Unten die neue St. Martinskirche, das Gasthaus Schneider-Rausch und die Kleine Beethovenhalle. Die Postkarte fand ihren Weg nach Berlin und wieder zurück nach Muffendorf.

1915 wurde Muffendorf Stadtteil von Godesberg und erhielt in der Folge die erste moderne Frisch- und Abwasserinfrastruktur. Während des Zweiten Weltkrieges hatte Muffendorf recht wenige Schäden an der Bausubstanz erlitten. Allerdings waren viele Männer aus Muffendorf in den Krieg gezogen, die nicht wieder zurückkehrten. Der Opfer beider Kriege gedenkt man am Ehrenmal bei Alt St. Martin. Ein Stolperstein, eingelassen in den Bürgersteig vor dem Haus Nr. 20 in der Klosterbergstraße, erinnert an die deportierte und im KZ ermordete Muffendorfer Jüdin Jetta Sommer, Witwe des Metzgers Sommer, der in der Klosterbergstraße seine Metzgerei geführt hatte (zu diesem gesamten Themenkomplex vgl. Bonner Geschichtswerkstatt, Stand vom 7.5.2012). Eine notwendige Erin­ne­rung daran, dass auch Muffendorf vom langen Arm der Menschen verachtenden Naziideologie und deren Verbrechen heimgesucht wurde.

Im Jahr 1949 wurde Bonn (provisorische) Bundeshauptstadt, Muffendorf mauserte sich zum begehrten Wohnort und wurde 1969 im Zuge der kommunalen Neuordnung Teil der Stadt Bonn. Die Kommende kam zu Beginn der 50er Jahre in den Besitz des Staates Belgien und wurde zur Residenz des belgischen Botschafters umgebaut. 2007 bis 2009 wurde sie gründlich saniert, um zwei Flügel im Hof erweitert und bietet nun ein überaus gepflegtes Wohnambiente. In den 60er, 70er und 80er Jahren wurden zahlreiche Fachwerkhäuser und –höfe in Muffendorf liebevoll saniert und diese bilden bis heute ein einmaliges Ensemble im Rheinland. (Ein kurzer Bericht zu den Ausgrabungen, die in Vorbereitung auf die Sanierung der Kommende im Jahre 2005 stattfanden, findet sich bei: Kobe, Janina und Volsek, Jörg: Archäologische Untersuchungen in der Muffendorfer Kommende, in: Godesberger Heimatblätter 45, S. 31)

Blick in die Muffendorfer Hauptstraße von Norden (2001); Romantik pur in der Klosterbergstraße (2005)
Abb. 35 & 36: Blick in die Muffendorfer Hauptstraße von Norden (2001); Romantik pur in der Klosterbergstraße (2005)
Hotel Miramonti (um 1920)
Abb. 37: Hotel Miramonti (um 1920)

Eine ebenso kurze wie heftige Episode sollte die Zeit des „Underground“ in Muffendorf werden und nicht in Vergessenheit geraten: Im ehemaligen Gasthof „Zur Alten Post“ in der Muffendorfer Hauptstraße Nr. 27-29 entstand Anfang der 70er Jahre Juppi Schäfers Rockschuppen „Underground“. Zahlreiche Rocklegenden traten hier auf und machten den „Underground“ zum Mekka der Musik begeisterten Jugend nicht nur im Rheinland: Status Quo, Can, Man, Nektar, Queen (am 13. Oktober 1973), Uriah Heep, Scorpions (23. November 1974) und Wolfgang Niedecken und Band spielten hier. Leider war der Begriff „Schuppen“ nicht nur im übertragenen Sinne zutreffend, so dass diese Einrichtung der Musikpflege nach behördlichen Auflagen zum 31. März 1975 zum Bedauern vieler junger Rockfans und zur Zufriedenheit zahlreicher Anwohner geschlossen wurde. Das Gebäude wurde liebevoll instandgesetzt und zum Wohnhaus umgebaut.

1988 beging Muffendorf die 1100-Jahr-Feier mit großen Festivitäten, u.a. fand ein historischer Festzug statt, an den sich die Muffendorfer bis heute gerne erinnern. Zahlreiche Vereine beteiligten sich, denen hier eine kurze Darstellung gewidmet sei: 1863 wurde der Männergesangverein „Freundschaftsbund“ gegründet, 1892 dann der Kirchenchor „St. Cäcilia“, damit die Einweihung der neuen Kirche gebührend musikalisch begleitet werden konnte. 1908 entstand der Junggesellenverein „Frohsinn“.

1922 erhielt Muffendorf ein eigenes Tambourkorps mit Namen „Rheinklänge“. 1946 entsteht die KG „Bergfunken“,1948 der Muffendorfer Bauernverein, 1958 der Sport-Club Muffendorf,1966 die KG „Blau-Gold“ und der Brieftaubenverein, 1968 der Tischtennisclub, 1982 „Verein der Freunde und Förderer Muffendorfs“, 1986 der Kleintierzüchterverein. 1994 die „Peter-Schwingen-Gesellschaft“. Bis heute tagt ein Ortsausschuss, um die öffentlichen Belange des Dorfes zu vertreten, im Jahr 2011 hat sich ein Verein etabliert, der sich zum Ziel gesetzt hat, Muffendorfer Aktivitäten wie die Muffenale zu unterstützen.

Der Winzerverein des 19. Jahrhunderts war mit dem Niedergang des Erwerbs-Weinbaus durch den Befall der Reblaus bereits um 1900 in Auflösung begriffen gewesen. Ein informeller kleiner Winzerverein hat sich heute rund um das Kelterhaus in der Gringstraße gebildet, wo man gemeinschaftlich die Muffendorfer Trauben (Regent) zu einem feinen Rotwein ausbaut.

Im Jahr 2013 werden seit der ersten urkundlichen Erwähnung von Alt St. Martin 1100 Jahre vergangen sein. Ein willkommener Anlass des Gedenkens.

Milljöhsitzung der GKG Bergfunken (2010); Prunksitzung der KG Blau Gold (2011); Maiansingen auf dem Remi-Bart-Platz (2006); Fronleichnamsprozession in der Muffendorfer Hauptstraße (2007); Schürreskarrenrennen in der Muffendorfer Hauptstraße (2009); Großes St. Martinsfeuer auf dem Remi-Baert-Platz (2010)
Abb. 38-43: Milljöhsitzung der GKG Bergfunken (2010); Prunksitzung der KG Blau Gold (2011); Maiansingen auf dem Remi-Bart-Platz (2006); Fronleichnamsprozession in der Muffendorfer Hauptstraße (2007); Schürreskarrenrennen in der Muffendorfer Hauptstraße (2009); Großes St. Martinsfeuer auf dem Remi-Baert-Platz (2010)

Damit wäre ein Zeitraum von ca. 170.000 Jahren überwunden, zwar sind nur wenige Fundstücke aus vorgeschichtlicher Zeit auf uns gekommen, darunter aber Artefakte von großer Aussagekraft, die eine Kontinuität der Nutzung und Besiedelung belegen, die so sicher nur selten zu finden ist. Und noch eines wird am Beispiel Muffendorfs deutlich: die im 20. Jahrhundert von bedeutenden Historikern geführte Diskussion um den Übergang von der Antike zum Mittelalter kann durch die Siedlungsgeschichte Muffendorfs eindrucksvoll erhellt werden. Die Theorie Franz Steinbachs, dass die fränkischen Einwanderer sich zunächst in aufgelassenen römischen Villen und Gutshöfen angesiedelt haben, sich mit der noch hier lebenden Bevölkerung arrangiert haben und eine neue Kultur daraus hervorgegangen ist, wird hier am dörflichen Beispiel auch anhand neuer Grabungsbefunde augenscheinlich. Trotz mannigfaltiger Brüche durch Überfälle und Kriegseinwirkungen, die das Rheinland immer wieder getroffen haben, teils in einem Jahrhundert mehrfach, blieb Muffendorf bevorzugter Siedlungsort über diesen langen Zeitraum hinweg, der hier annäherungsweise beleuchtet wurde.


Bildnachweis: Abb. 18, 20, 23-25, 28, 30-31, 33, 37 mit freundlicher Genehmigung des Vereins für Heimatpflege und Heimatgechichte Bad Godesberg e.V.; Abb. 17, 19, 21-22, 26-27, 29, 32, 35-36, 38-43 Lars Bergengruen; Abb. 34 mit freundlicher Genehmigung von Maria und Johannes Schwind